Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

Abriß der Literaturgeschichte. 
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7) das Alexanderlied, (Alexander der 
Große) von Psaff Lamprecht; 
8) König Rother, der um Constantin's 
Tochter wirbt (Lombardische Sage); 
9) Graf Rudolph, Bruchstücke; Zug eines 
Flandrischen Grafen ins gelobte Land; schon 
mit tiefsinniger Erfassung des Seelenlebens, 
wie bei den spätern Meistern; 
10) Reinhard Fuchs, von Heinrich dem 
Glichesäre, nur aus einer späteren Umarbei¬ 
tung bekannt (Thiermärchen). 
II. Die Blüte der nationalen Helden¬ 
sagen. Die Sagenkreise, in welchen sich die 
alten Nationalgesänge bewegen, sind: 
1) der Niederrheinische, dessen Mittel¬ 
punkt der starke Siegfried in Lauten ist, der 
zugleich den Norden berührt; 
2) der Oberrheinische oder Burgun¬ 
dische, dessen Mittelpunkt die schöne Kriem- 
hild in Worms (Günther—Brunhilde); 
3) der Ost gothische, mit Dietrich von 
Bern (Verona) und dem alten Hildebrand 
(dem Wülfing) an der Spitze; 
4) der Hunnische; mit König Etzel (Attila) 
an der Niederdonau (Rüdiger); 
5) der Lombardische (Rother, Otnit) 
reicht ins Morgenland hinüber; 
6) der Nordische; Seeleben, besonders 
der Friesen (Hegelingen); die Gudrun. 
Die vorzüglichsten Dichterwerke, von unbe¬ 
nannten Verfassern und zum Theil nur aus 
Ueberarbeitungen bekannt, sind: 
1) das Nibelungenlied. In ihm ver¬ 
schlingen sich die vier ersten Sagenkreise; außer¬ 
dem streift es an die uralte mythische Sage und 
bewegt sich zugleich in den Formen des späteren 
ausgebildeten Ritterlebens. Die einzelnen 
Stosse mit ausgeprägten Formen lebten ohne 
Zweifel im Volke, ähnlich wie die Heroensagen 
der Griechen. Seine jetzige einheitlich abgerun 
dete Gestalt erhielt das Gedicht im Anfang des 
13. Jahrhunderts; wer der hochbegabte, höfisch 
gebildete Dichter gewesen, ist noch nicht ermittelt, 
(nach Pfeiffer der v. Kürenberg). Uebrigens 
weichen die verschiedenen Handschriften vielfach 
von einander ab, sowohl im Einzelnen als in 
der Gesammtzahl der Strophen. Die bedeu¬ 
tendsten Handschriften sind die zwei in der Burg 
Hohenems gefundenen (jetzt in München und 
Donaueschingen), und die St. Gallener (früher 
im Besitz des Geschichtschreibers Tschudi 
ff 1572). Die erste vollständige Ausgabe be¬ 
sorgte Chr. H. Müller 1782, nachdem Bodmer 
1751 Fragmentarisches herausgegeben. 
2) die Klage, in Reimpaaren, schließt sich 
an die Katastrophe des Nibelungenliedes und 
beklagt die Todten (S. 58); 
3) Gudrun (1225); siehe S. 58;- 
4) das Eg genlied, oder Ecken-Ausfahrt, 
zur Dietrichssage, S. 59; 
5) der große Rosengarten, S. 60; 
6) die Rabenschlacht (Ravenna) S. 61; 
Dietrich gegen Ermenrich; 
7) der Riese Sigenot besiegt den Dietrich, 
der durch Hildebrand befreit wird; 
8) der Zwerg Lau rin oder der kleine 
Rosengarten; der Zwerg wird gefangen; 
9) Dietrich's Flucht zu den Hunnen, 
wegen eines Zwistes mit seinem Oheim Er¬ 
menrich, der ihn seines Erbes beraubt; 
10) Alp hart's Tod, eines von den Hel¬ 
den Dietrich's durch einen Dienstmann; 
11) König O t n i t, zur Lombardischen <B age; 
gewinnt im Orient eine Königstochter (Ein¬ 
fluß der Kreuzzüge); 
12) Hug- und sein Sohn Wolf-Diet¬ 
rich, schließen sich an Otnit an. 
Man begreift diese Gedichte gewöhnlich unter 
dem Namen „Heldenbuch". 
III. Die Blüte der epischen Kunstpoesie. 
Die hieher gehörigen Werke sind: 
1) größere epische Darstellungen aus den 
drei vorzüglichsten romantischen Sagen¬ 
kreisen: von Karl dem Großen, von König 
Artus und vonl h. Gral. Romantisch ist 
ursprünglich soviel als romanisch, d. i. in 
der romanischen Volkssprache Gedichtetes; dann 
auf das mittelalterliche Ritterleben überhaupt 
ausgedehnt, und zuletzt gar ein besonderer 
ästhetischer Begriff geworden. Die Sagen von 
Karl dem Großen als Kämpfer und Fürst 
der Christenheit gingen besonders von Frank¬ 
reich aus; Hauptheld für die Poesie ist Ritter 
Roland, der in der Schlacht von RonceS- 
valles fiel. — König Artus ist der Britische 
Nationalheld, hervorgegangen aus den Kämpfen 
gegen die eindringenden heidnischen Angeln 
und Sachsen; er gestaltete sich als Ideal eines 
Ritterkönigs, an dessen Hofe zu Caerlleon sich 
die vorzüglichsten Ritter aus aller Welt sam¬ 
melten; auf den Rath des Zauberers Mer¬ 
lin errichtete er eine runde Marmortafel, um 
welche die ausgezeichnetsten Ritter, 40 bis 50 
(ursprünglich wohl nur 12, der Apostelzahl 
entsprechend), ihre Sitze hatten (daher Ritter 
der Tafelrunde); ein Platz blieb leer; als den¬ 
selben einst ein Unberufener einnahm, wurde 
er von der Erde verschlungen. — In enger 
Verbindung mit den Rittern der Tafelrunde 
steht die Sage vom h. Gral. Der h. Gral 
(Gefäß, Schüssel, sangnia rsZalia) ist ein 
wunderbares geheimnißvolles Heiligthum, auf 
dem Berge Monsalvatsch (mons salvatoris) 
von den Templeisen bewacht; das Königthum 
beim Gral ist das Höchste, was ein Sterb¬ 
licher erreichen kann; er mag darnach streben, 
soll das Seinige thun, aber nur die göttliche 
Berufung vollendet (Verhältniß von Gnade 
und freiem Willen). Die einzelnen Sagen 
sind verschieden; sie melden, es sei ein Stein
	        
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