Full text: Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen

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Der Verlaßnen Klage 
(von Ludwig Robert, in Berlin, gest. 1832). 
Mitleidsworte, Trostesgründe, 
Neue Dornen diesem Herzen. 
Was ich sehe, hör', empfinde, 
Alles schärfet meine Schmerzen. 
Schwesterseele, schuldlos-reine! 
Zürne nicht, wenn ich der Zähren 
Mich nicht länger kann erwehren, 
Ach verzeihe, daß ich weine! 
Laß die Traurige alleine! 
Fliehe vor dem Unglückskinde! 
Denn vielleicht, was ich empfinde, 
Möcht' ich undankbar erzählen, 
Dir verrathen, wie mich quälen 
Mitleidsworte, Trostesgründe. 
Mitleidsworte, Trostesgründe: 
Widerhall der eignen Klagen, 
Die mich doppelschneidend Plagen, 
Weil ich Leid im Trost nur finde. — 
Als ein Abschiedsangebinde 
Ließ die Mutter mir nur Schmerzen: 
Diesen Trost würd' ich verscherzen, 
Wenn ich nur an Trost gedächte; 
Ja schon der Gedanke brächte 
Neue Dornen diesem Herzen! 
Neue Dornen diesem Herzen? 
O wie froh wollt' ich ertragen 
Neue Leiden, neue Plagen, 
Um die alten zu verschmerzen! 
Doch es find dieselben Schmerzen, 
Die ich immer überwinde, 
Die ich immer wiederfinde, 
Weil fie so mit mir vereinigt, 
Daß mich Alles, Alles peinigt, 
Was ich sehe, hör', empfinde. 
Was ich sehe, hör', empfinde, 
Der Natur geheimes Walten, 
Meine eignen Traumgestalten, 
Was ich leidend mir erfinde, 
Mitleidsworre, Trostesgründe: 
Neue Dornen diesem Herzen! 
Und doch wollt' ich's gern verschmerzen,No full text available for this image
	        
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