Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

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Alte Seit. 
Abzogen sie die Kleider von dem Leibe da; 
In zwei weißen Hemden man beide stehen sah. 
Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee; 
Man sah bei dem Brunnen den kühnen Sigfrid doch eh'. 
Den Preis in allen Dingen vor Manchem man ihm gab, 
Da löst er schnell die Waffe, den Köcher legt er ab, 
Den starken Wurfspieß lehnte er an den Lindenast: 
Bei des Brunnens Flusse stand der herrliche Gast. 
Sigfridens Tugenden waren gut und groß. 
Den Schild legte er nieder >vo der Brunnen floß: 
Wie sehr ihn auch dürstete, der Held nicht eher trank, 
Bis der Wirt getrunken: dafür gewann er Übeln Dank. 
Der Brunnen war lauter kühl und auch gut; 
Da neigt sich Günther hernieder zu der Flut. 
Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann; 
Also hätt' auch gerne der kühne Sigfrid gethan. 
Da entgalt er seine Tugend; den Bogen und das Schwert 
Trug Hagen beiseite von dem Degen wert. 
Dann sprang er schnell zurücke, wo er den Wurfspieß fand, 
llnd sah nach einem Zeichen an des Kühnen Gewand. 
Als Sigfrid der Degen aus dem Brunnen trank, 
Schoß er ihm durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang 
Das Blut seines Herzens hoch an Hägens Staat. 
Kein Held begeht wieder also große Missethat. 
Den Wurfspieß im Herzeil ließ er ihm stecken tief: 
Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief, 
So lief er wohl auf Erden nie vor einem Mann! 
Als sich der starke Sigfrid der großen Wunde besann. 
Der Held in wildem Toben von dem Brunnen sprang; 
Ihm ragte von den Schultern eine Speerstange lang. 
Nun wähnt' er da zu finden Bogen und Schwert, 
So hätt' er Lohn Herrn Hagen wohl nach Verdienst gewährt. 
Als der Todwunde das Schivert nicht wiederfand, 
Da blieb ihm nichts weiter, als der Schildesrand, 
Den hob er von dem Brunnen und rannte Hagen an; 
Da konnt' ihm nicht entrinnen König Günthers Unterthan. 
Wie wund er war zum Tode, so kräftig er doch schlug, 
Daß von dem Schilde nieder, rieselte genug 
Des edlen Gesteines; der Schild zerbrach auch fast; 
So gern gerochen hätte sich der herrliche Gast. 
Gestrauchelt war da Hagen von seiner Hand zu Thal; 
Der Anger von den Schlägen erscholl im Wiederhall. 
Hätt' er sein Schwert in Handen, so wär' es Hägens Tod, 
Sehr zürnte der Wunde; es zwang ihn wahrhaft Not. 
Seine Farbe war erblichen, er konnte nicht mehr stehn; 
Seines Leibes Stärke mußte ganz zergehn, 
Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug. 
Er ward hernach beweinet von schönen Fran'n genug.
	        
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