Dichtungen der Gegenwart.
wenn wir in höchsten Nöten sein.
Zu Brandenburg ein Turin einst stand,
War auch erbaut von Meisters Hand.
Den steigen eines Tags im Lauf
Drei muntere Gesellen ans,
Von ihrem Meister hergesandt,
Die hellen Pfeifen in der Hand.
Denn je zur Mittagsstunde klingt
Ein heller Pfeifenklang von oben,
Der rings mit Jauchzen und mit Loben
Dem Herrn ein frommes Opfer bringt.
Ta geht es in den Mauern drin
Wie ein geheimes Regen hin,
Da bebt es, wankt und kracht und bricht;
Nun fraget nur nach Rettung nicht!
Es weicht der Grund, der Turm bricht ein,
Ihr müsset all' verloren sein! —
Da schaut ihr Blick fest himmelau,
Da wollen sie des Dienstes Pflichten
Zun: letztenmal getreu verrichten
Und heben laut zu blasen an:
„Wenn wir in höchsten Nöten sein,
Und wissen weder aus noch ein."
So tragt der Pfeifen Heller Klang
Die Weise rings die Stadt entlang,
Und zwischen ein mit dumpfen: Ton
Erdröhnt des Turmes Mauer schon,
Da horcht betroffen manches Ohr,
Da eilt aus Häusern nnd aus Hütten
So Mann als Weib mit schnellen Schritten
Auf Markt und Straßen bang hervor.
„Wenn wir in höchsten Nöten sein,
lind wissen weder ans noch ein,
Und finden weder Hüls' noch Rat,
Ob wir gleich sorgen früh und spat!"
So blasen die aus aller Macht
Und zwischen ein es bricht und kracht;
Die Spitze zittert hin und her,
Von selber drin die Glocken klingen,
Die Mauer reißt in langen Sprüngen,
Die Ecke senkt sich dumpf und schwer —
„So ist das unser Trost allein,
Daß wir zusammen, insgemein
Anrufen dich, du treuer Gott
Um Rettung aus der Angst und Not."
So bläset dort der Pfeifenklang,
So jammert hier die Menge bang;
Da stürzt der Turm, da ist's vorbei. —
' Ja, da hat sich der Herr erwiesen,
Da stehn gerettet auf den Füßen,