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Weiße Blasen seh' ich springen; 
Wohl! die Massen sind im Fluß, 
Laßt's mit Aschensalz durchdringen! 
Das befördert schnell den Guß. 
Auch vom Schaume rein 
Muß die Mischung sein, 
Daß vom reinlichen Metalle 
Rein und voll die Stimme schalle. 
Denn mit der Freude Feierklange +* 
Begrüßt sie das geliebte Kind 50 
Aus seines Lebens erstem Gange, 
Den es in Schlafes Arm beginnt. 
Ihm ruhen noch im Zeitenschoße 
Die schwarzen und die heitern Lose; 
Der Mutterliebe zarte Sorgen 
Bewachen seinen gold'nen Morgen. 
Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. 
Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, 
Er stürmt ins Leben wild hinaus, 
Durchmißt die Welt am Wanderstabe, 60 
Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. 
Und herrlich in der Jugend Prangen, 
Wie ein Gebild aus Himmels Höhn, 
Mit züchtigen, verschämten Wangen, 
Sieht er die Jungfrau vor sich steh'n. 
Da faßt ein namenloses Sehnen 
Des Jünglings Herz; er irrt allein, 
Aus seinen Augen brechen Thränen, 
Er flieht der Brüder wilden Reih'n. 
Errötend folgt er ihren Spuren 70 
Und ist von ihrem Gruß beglückt, 
Das Schönste sucht er auf den Fluren, 
Womit er seine Liebe schmückt. 
O zarte Sehnsucht! Süßes Hoffen! 
Der ersten Liebe gold'ne Zeit! 
Das Auge sieht den Himmel offen, 
Es schwelgt das Herz in Seligkeit. 
O daß sie ewig grünen bliebe, 
Die schöne Zeit der jungen Liebe! 
Wie sich schon die Pfeifen bräunen! 80 
Dieses Stäbchen tauch' ich ein, 
Sehn wir's überglast erscheinen, 
Wird's zum Gusse zeitig sein. 
Jetzt, Gesellen! frisch! 
Prüft mir das Gemisch, 
Ob das Spröde mit dem Weichen 
Sich vereint zum guten Zeichen! 
Denn wo das Strenge mit dem Zarten, 
Wo Starkes sich und Mildes paarten, 
Da giebt es einen guten Klang. 60 
Drum prüfe, wer sich ewig bindet, 
Ob sich das Herz zum Herzen findet! 
Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. 
Lieblich in der Bräute Locken 
Spielt der jungfräuliche Kranz, 
Wenn die hellen Kirchenglocken 
Laden zu des Festes Glanz. 
Ach, des Lebens schönste Feier 
Endigt auch den Lebensmai, 
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier 100 
Reißt der schöne Wahn entzwei. 
Die Leidenschaft flieht, 
Die Liebe muß bleiben; 
Tie Blume verblüht. 
Die Frucht muß treiben. 
Försters Lesebuch. 
Der Mann muß hinaus 
Ins feindliche Leben, 
Muß wirken und streben 
Und pflanzen und schaffen, 
Erlisten, erraffen, 110 
Muß wetten und wagen, 
Das Glück zu erjagen. 
Da strömet herbei die unendliche Gabe, 
Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe, 
Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. 
Und drinnen waltet 
Die züchtige Hausfrau, 
Die Mutter der Kinder, 
Und herrschet weise 
Im häuslichen Kreise, 120 
Und lehret die Mädchen 
Und wehret den Knaben 
Und reget ohn' Ende 
Die fleißigen Hände 
Und mehrt den Gewinn 
Mit ordnendem Sinn 
Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden, 
Und dreht um die schnurrende Spindel den 
Faden 
Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein 
Die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein 130 
Und füget zum Guten den Glanz und den 
Schimmer 
Und ruhet nimmer. 
Und der Vater mit frohen. Blick 
Von des Hauses weitschauendem Giebel 
Überzählet sein blühend Glück, 
Siehet der Pfosten ragende Bäume 
Und der Scheunen gefüllte Räume 
Und die Speicher, vom Segen gebogen, 
Und des Kornes bewegte Wogen, 
Rühmt sich mit stolzem Mund: 140 
„Fest, wie der Erde Grund, 
Gegen des Unglücks Macht 
Steht mir des Hauses Pracht!" 
Doch mit des Geschickes Mächten 
Ist kein ew'ger Bund zu flechten, 
Und das Unglück schreitet schnell. 
Wohl! nun kann der Guß begiunen, 
Schön gezacket ist der Bruch. 
Doch bevor wir's lassen rinnen, 
Betet einen frommen Spruch! * 150 
Stoßt den Zapfen aus! 
Gott bewahr' das Haus! 
Rauchend in des Henkels Bogen 
Schießt's mit feuerbraunen Wogen. 
Wohlthätig ist des Feuers Macht, 
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, 
Und was er bildet, was er schafft, 
Das dankt er dieser Himmelskraft; 
Doch furchtbar wird die Himmelskraft, 
Wenn sie der Fessel sich entrafft, 160 
Einhertritt auf der eig'nen Spur, 
Die freie Tochter der Natur. 
Wehe, wenn sie, losgelassen, 
Wachsend ohne Widerstand 
Durch die volkbelebten Gassen 
Wälzt den ungeheuren Brand! 
Denn die Elemente hassen 
Das Gebild' der Menschenhand. 
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