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Mit Freudenthränen vernimmt Parzival diese Botschaft und macht sich sofort 
mit Kundrie auf den Weg nach Montsalvatsch. Eine Schar von Templern, die ihnen 
im Wald begegnet, springt von den Rossen und empfängt mit abgebundenen Helmen 
den neuen König, der nun seinen Einzug in die Gralburg hält. Dort erlöst er durch 
die Frage nach dem Leiden seines Oheims und durch ein gläubiges Gebet vor dem 
Gral den alten Anfortas von seinen Leiden, über den plötzlich ein herrlicher Glanz 
kommt, worauf er sich in blühender Schönheit vom Siechbett erhebt. Nachdem 
Parzival von seinem Königtum im Gral Besitz genommen, findet er auch seine Ge¬ 
mahlin Kondwiramur mit seinen beiden ihm inzwischen geborenen Söhnen wieder, an 
derselben Stelle, wo einst Blut und Schnee ihm den Sinn entrückt. Nun läßt er 
den jüngeren seiner Söhne, Kardeiß, zum König über seine weltlichen Erbreiche 
krönen; der ältere, Lohengrin, soll einst des Vaters Nachfolger im Gralkönigtum 
werden. Es verkündet aber eine Inschrift am Gral allen seinen Rittern die Pflicht, 
niemals eine Frage nach ihrer Herkunft zu gestatten, wenn sie vom Gral ausgesendet 
werden. Lohengrin selbst, zum Gemahl einer Herzogin von Brabant bestimmt und in 
einem vom Schwan gezogenen Nachen nach Antwerpen geschickt, muß seinem jungen 
Weibe diese Frage verbieten; als dieselbe dennoch nach seiner Herkunft fragt, scheidet 
er von ihr für immer; das Schiff mit dem Schwan holt ihn wieder nach dem 
Gral zurück. 
13. Der Stil des deutschen Epos. 
Nach Ludwig Uhland. 
Was im deutschen Epos, wie in jedem andern, zuerst auffällt, ist die stetige 
Wiederholung gewisser Redeformen und Wendungen, oft in der Wiederkehr ganzer 
Verszeilen, selbst ganzer Strophen. Die epische Dichtung, weit entfernt, in der 
Mannigfaltigkeit und dem Schmucke der Sprache eine eigene Kunst zu suchen, hält 
sich lediglich an die Sache und bedient sich für sie des einfachsten und klarsten Aus¬ 
druckes. Dieser stellt sich von selbst ein und wird sich stets wieder einstellen, so oft 
dasselbe Bedürfnis wiederkehrt; diese Wiederkehr aber kann nicht ausbleiben, da die 
Anlage der Lieder nirgends auf künstliche Abwechslung und Überraschung berechnet 
ist, und da die versinnlichende Darstellung alle die äußeren Bewegungen und Thätig¬ 
keiten in sich aufnimmt, die unter gleichen Umstünden die gleichen sind. Dieselbe 
Stellung des Kampfes oder der Geselligkeit, dieselbe Stufe des Leides oder der 
Freude bringt auch dieselben Bezeichnungen mit sich. Wo das Nämliche geschieht, da 
wiederholt sich auch die Form der Erzählung, und wenn mehrere gleichzeitig oder in 
unmittelbarer Folge das Gleiche thun, kehrt Schlag aus Schlag dieselbe Wendung. 
Da aber der Ausdruck sich dem Versmaße anschicken muß, so ist mit der Wiederkehr 
der Redeformen auch diejenige von halben und ganzen, einzelnen oder mehreren Vers¬ 
zeilen gegeben, bei verschiedenem Versmaße mit leichter Änderung und Anpassung an 
die Art eines jeden. Die vielfache Verknüpfung und Sonderung der Gesänge des 
epischen Kreises trügt diese Wiederholungen von einem Lied in das andere. Es lag 
auch im natürlichen Vorteile des Sängers, den Ausdruck, der ihm dargeboten war, 
nicht erst aufzusuchen, den für die Übergänge, für die wiederkehrenden Verhältnisse 
schon zugerichteten Vers nicht erst neu zu gestalten, vielmehr mit den bereiten Hülfs¬ 
mitteln sich den Vortrag zu erleichtern und den Blick auf den Gegenstand, auf die 
Gestalten frei zu erhalten. 
In Beziehung auf Farbe und Fülle zeichnet sich unser epischer Stil weder 
durch malerische Beiwörter, noch durch ausgeführte Vergleichungen aus. Die 
Eigenschaften der Helden und Heldinnen sind durch einfache Beiwörter: kühn, schnell, 
schön, milde, treu, ungetreu, grimmig u. dgl. ausgedrückt, oft auch mit Verstärkung:
	        
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