Full text: Deutsche Gedichte für die Oberstufe Höherer Mädchenschulen

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II. Aus der Dichtung der Neuzeit bis auf Goethe und Schiller. 
Laß böse Zungen sprechen, 
was ihnen nur gefällt, 
laß Neid und Eifer stechen, 
laß toben alle Welt, 
so wird er dennoch machen, 
was sein Gemüte will, 
weil seine rechte Sachen 
gehn aus ein gutes Ziel. 
Ich lege Neid und Hassen 
beständig unter mich 
und stelle Tun uub Lassen, 
o Gott, allein auf dich; 
du wirst es alles machen, 
tun, was mein Herze will, 
weil seine rechte Sachen 
sehn auf ein gutes Ziel. 
Simon Dach (J605—1(659), 
geb. in Memel, gest. als Professor in Königsberg. „5lnke von Tharaw" 
wurde ursprünglich niederdeutsch, und zwar für 5lnna, die Tochter des 
Pfarrers in Tharau, zur Hochzeit 1637 gedichtet. 
1. Freundschaft. 
Der Mensch hat nichts so eigen, 
so wohl steht ihm nichts an, 
als daß er Treu erzeigen 
und Freundschaft halten kann; 
wann er mit seinesgleichen 
soll treten in ein Band, 
verspricht sich, nicht zu weichen 
mit Herzen, Mund und Hand. 
Die Red' ist uns gegeben, 
damit wir nicht allein 
für uns nur sollen leben 
und fern von Leuten sein; 
wir sollen uns befragen 
und sehn auf guten Rat, 
das Leid einander klagen, 
so uns betreten hat. 
Was kann die Freude machen, 
die Einsamkeit verhehlt? 
Das gibt ein doppelt Lachen, 
was Freunden wird erzählt; 
der kann sein Leid vergessen, 
der es von Herzen sagt; 
der muß sich selbst auffressen, 
der ingeheim sich nagt. 
Gott stehet mir vor allen, 
die meine Seele liebt; 
dann soll mir auch gefallen, 
der mir sich herzlich gibt. 
Mit diesen Bundsgesellen 
verlach' ich Pein und Not, 
geh' auf dem Grund der Höllen 
und breche durch den Tod. 
Ich hab', ich habe Herzen, 
so treue wie gebührt, 
die Heuchelei und Scherzen 
nie wissentlich berührt. 
Ich bin auch ihnen wieder 
von Grund der Seelen hold: 
Ich lieb' euch mehr, ihr Brüder, 
als aller Erden Gold. 
2. Annchen von Tharau. 
(Übersetzt von Joh. G. Herder.) 
Annchen von Tharau ist, die mir gefällt, 
sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld. 
Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz 
auf mich gerichtet in Lieb' und in Schmerz; 
Annchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut! — 
du, meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! 
Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn, 
wir sind gesinnet, beieinander zu stahn;
	        
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