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2 Das höfische oder Kunstepos.
An die Stelle der um das Ende des 12. Jahrhunderts immer mehr
verfallenden volksmäßigen Dichtung, an welcher die Geistesthätigkeit des
ganzen deutschen Volkes wirkungsvoll beteiligt war, bildete sich die höfische
oder Kunstdichtung aus, deren Vertreter vorzugsweise in der Welt des
Rittertums zu suchen sind. Sich eng an das Volksepos anlehnend und
es sich zum Muster nehmend, entstand so das höfische oder Kunst¬
epos, welches freilich in Form und Stoff sich wesentlich von dem
ersteren unterscheidet. Es hat nur ausländische Stoffe, die sich in ver¬
schiedenen Sagen ausdrücken, zum Inhalt und läßt uns das Rittertum
in seinem vollen Glanze erscheinen. „Der Dichter schafft bereits in
bewußter künstlerischer Absicht, so daß seine eigene dichterische Art mehr
oder minder stark in der Dichtung hervortritt. Seinem Werke fehlt die
frische, naturwahre Einfachheit, es zeigt eine gezierte Darstellung, breite
Ausschmückung, auch der Nebenumstände, und liebt die Einflechtung
begleitender Betrachtung." —
Die fremden Stoffe, in welchen die höfischen Epiker die Ver¬
körperung des idealen Rittertums erblickten, waren die nordfranzösischen
Sagen, welche von Karl dem Großen umliefen, die südfranzösische Sage
vom heiligen Gral, die bretonische Sage vom König Artus und seiner
Umgebung (Tafelrunde), die Tristansagen, aber auch antike und orien¬
talische Sagen, Legendenstoffe und weltliche Geschichten. Anfangs stand
die epische Kunstdichtung ganz unter dem Einfluß der Kreuzzüge,
und was uns in ihr erzählt wird, wird mit dem Namen aventiure
(wunderbares Erlebnis, ritterliches Wagnis) belegt. —
In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde das Alexander¬
lied des Pfaffen Lamprecht geschrieben, welcher dazu Alexanderlieder
aus französischer Quelle benutzt hat; jedenfalls ist sein Lied nichts anders
als eine Übertragung, doch immerhin eine der bedeutendsten Erschei¬
nungen der Zeit und zeichnet sich durch die hochpoetische Darstellung
vieler Abschnitte aus, der zweite Teil ist fast nur mit Fabeln und
Wundern ausgefüllt (Einwirkung der Kreuzzüge). —