Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für höhere katholische Schulen

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Und wie mit des fernen Donners Getose 
Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße. 
Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß, 
Da hebet sich's schwanenweiß, 
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß, 
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß, 
Und er ist's! und hoch in seiner Linken 
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken. 
Und athmete lang und athmete tief, 
Und begrüßte das himmlische Licht. 
Mit Frohlocken es Einer dem Andern rief: 
„Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht! 
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle 
Hat der Brave gerettet die lebende Seele!" 
Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar; 
Zu des Königs Füßen er sinkt, 
Den Becher reicht er ihm knieend dar; 
Und der König der lieblichen Tochter winkt, 
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande, 
Und der Jüngling sich also zum König wandte: 
„Lang lebe der König! Es freue sich, 
Wer da athmet im rosigen Licht! 
Da unten aber ist's fürchterlich, 
Und der Mensch versuche die Götter nicht, 
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, 
Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen! 
Es riß mich hinunter blitzeöschnell: 
Da stürzt' mir aus felsigem Schacht 
Wildflutend entgegen ein reißender Quell; 
Mich packte des Doppelstroms wüthende Mackt, 
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen 
Trieb mich's um; ich konnte nicht widerstehen. 
Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief 
In der höchsten, schrecklichsten Noth, 
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff, 
Das erfaßt' ich behend und entrann dem Tod; 
Und da hing auck der Becher an spitzen Korallen, 
Sonst wär' er in's Bodenlose gefallen. 
Denn unter nur lag's noch bergetief 
In purpurner Finsterniß da, 
Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief, 
Das Auge mit Schaudern hinuntersah, 
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen 
^ich regt in dem furchtbaren Höllenrachen. 
Schwarz wimmelten da in grausen: Gemisch, 
Zu scheußlichen Klumpen geballt, 
Der stachlichte Roche, der Klippenfisch, 
Des Hammers gräuliche Ungestalt, 
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne 
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne. 
Und da hing ich, und war's nnr mit Grausen bewußt, 
Bon der menschlichen Hülfe so weit, 
Unter Larven die einzige fühlende Brust, 
Allein in der gräßlichen Einsamkeit, 
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede, 
Bei den Ungeheuern der traurigen Oede. 
Kellner, Lesebuch. 
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