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Da hebt der Abendstern gemach
Sich aus den Föhrenzweigen,
Und grade ob der Hütte Dach
Scheint er sich mild zu neigen.
Es ist ein Bild, wie still und heiß
Es alte Meister hegten,
Kunstvolle Mönche, und mit Fleiß
Es auf den Goldgrund legten:
Der Zimmermann, — die Hirten gleich
Mit ihrem frohen Liede, —
Die Jungfrau mit dem Lilienzweig
Und rings der Gottesfriede.
Annette v. Drostc-Hülshoff.
78. Das Khristusöild zu Men.
Äst euch vom Christusbild zu Wien
Die Sage nicht bekannt,
Das immer zollbreit größer schien,
Als wer da vor ihm stand?
Und war der Mann auch noch so klein,
Es ließ sich vor ihm nieder;
Und hatt' er riesenhaft Gebein,
Doch überragt es seine Glieder.
Ich weiß nicht, ob das Christusbild
Sich dort noch schauen läßt;
Doch daß von Christus selber gilt
Die Sage, glaub' ich fest.
Dem Kleinen naht er als ein Kind,
Daß er ihn nicht erschrecke;
Doch seiner Glieder Maß gewinnt
Der Größte nicht, wie er sich strecke.
So spricht auch sein verkündet Wort
Schlicht zu dem schlichten Mann,
Das aller Erdenweisheit Hort
Doch nie erreichen kann.
Wähnt Einer jetzt, er komm' ihm gleich,
Schon ist's emporgeschossen;
So zieht's zu ew'gcr Wahrheit Reich
Die Geister aufwärts unverdrossen.
K. Simrock.
79. Irauenkobs Kod. *)
Es läuten alle Glocken
Zu Mainz mit Trauerklang,
Und durch des Domes Hallen
Tönt ernster Grabgesang.
Ein Zug von edlen Frauen
Zieht ein durch's hohe Thor,
Und schwarze Fahnen wallen.
Es ragt ein Sarg empor.
Und um die schwarzen Fahnen
Flammt helles Kerzenlicht,
Und strahlt auf manches holde,
Verweinte Angesicht;
Und strahlt auf einen Todten
Mit sanftem Glanz hinab,
Den acht der schönsten Frauen
Hintragen zu dem Grab.
Sie weinen und sie singen
Ein Trauerlied zumal,
Und gießen Wein hernieder
Aus goldenem Pokal;
Und streuen Ros' und Myrten
Und helles Rebenlaub
Hinab auf's harte Lager,
Wo ruhen soll sein Staub.
Wen tragt, ihr edle Frauen,
So trüb und kummerbleich?
War es vielleicht ein König,
Der Krone ließ und Reich?
„Wir tragen keinen König,
Geziert mit ird'schem Glanz;
Und unverwelklich schmücket
Dieß Haupt ein Lorbeerkranz."
So tragt ihr einen Helden
Aus ritterlichem Blut,
Der einst in wilden Schlachten
Gekämpft mit hohem Muth?
„Wir tragen keinen Ritter,
Er ward nicht Held genannt,
Nur eine gold'ne Harfe
Trug diese fromme Hand.
st Zur Vergleichung mit Nr. 72, S. 130.