Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für höhere katholische Schulen

146 
13. Arion sieht mit trunk'nen Blicken, 
Lant singend, in das Seegewühl; 
Er fährt auf eines Delphins Rücken, 
Schlägt lächelnd in sein Saitenspiel. 
14. Der Fisch, zu Diensten ihm gezwungen, 
Naht schon mit ihm der Felsenbank. 
Arion hat den Fels errungen 
Und singt dem Fährmann seinen Dank. 
15. Am Ufer kniet er, dankt den Göttern, 
Daß er entrann dem nassen Tod. 
Der Sänger triumphirt in Wettern; 
Ihn rührt Gefahr nicht an und Tod. 
Tieck. 
82. Aus Köthe's Kerrnann und Dorothea. 
(Schicksal und Antheil.) 
„Hab' ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen! 
Ist doch die Stadt wie gekehrt, wie ausgestorben! Nicht fünfzig, 
Däucht mir, blieben zurück von allen unsern Bewohnern. 
Was die Neugier nicht thut! so rennt und läuft nun ein Jeder, 
Um den traurigen Zug der armen Vertrieb'nen zu sehen. 
Bis zum Dammweg, welchen sie ziehen^ ist's immer ein Stündchen, 
Und da läuft man hinab, im heißen Ltaube des Mittags. 
Möcht' ich mich doch nicht rühren vom Platz, um zu sehen das Elend 
Guter slieheuder Menschen, die nun mit geretteter Habe, 
Leider, das überrheinische Land, das schöne, verlassend, 
Zu uns herüber kommen und durch den glücklichen Winkel 
Dieses fruchtbaren Thals und seine Krümmungen wandern. 
Trefflich hast du gehandelt, o Frau, daß du milde den Sohn fort 
Schicktest mit altem Linnen und etwas Essen und Trinken, 
Um es den Armen zu spenden; denn Geben ist Sache des Reichen. 
Was der Junge doch fährt! und wie er bändigt die Hengste! 
Sehr gut nimmt das Kütschchen sich aus, das neue; bequemlich 
Säßen Viere darin und auf dem Bocke der Kutscher. 
Dießmal fuhr er allein; wie rollt es leicht um die Ecke!" 
So sprach, unter dem Thor des Hauses sitzend am Markte, 
Wolbehaglich zur Frau der Wirth zum goldenen Löwen. 
Und es versetzte darauf die kluge verständige Hausfrau: 
„Vater! nicht gerne verschenk' ich die abgetragene Leinwand; 
Denn sie ist zu manchem Gebrauch, und für Geld nicht zu haben, 
Wenn man ihrer bedarf. Doch heute gab ich so gerne 
Manches bessere Stück an Ueberzügen und Hemden; 
Denn ich hörte von Kindern und Alten, die nackend daher gehen. 
Wirst du mir aber verzeih'n? Denn auch dein Schrank ist geplündert; 
Und besonders den Schlafrock mit indianischen Blumen, 
Von dem feinsten Kattun mit feinem Flanelle gefüttert, 
Gab ich hin; er ist dünn und alt und ganz aus der Mode." 
Aber es lächelte d'rauf der treffliche Hauswirth und sagte: 
„Ungern vermiss' ich ihn doch, den alten kattunenen Schlafrock, 
Echt' ostindischen Stoffs; so etwas kriegt man nicht wieder. 
Wol, ich trug ihn nicht mehr. Man will jetzt freilich, der Mann soll 
Immer gehn im Surtoul und in der Pekesche*) sich zeigen, 
Immer gestiefelt sein; verbannt ist Pantoffel und Mütze." 
*) Ein polnischer Ueberrock. 
JW
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.