Full text: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

221 
Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier; 
Alles zerschossen; ihr ganzes Prahlen 
Nur ein Wettstreit in den Zahlen, 
In den Zahlen derer, die nicht hier. 
Zum drittenmal 
Ziehen sie ein durch das große Portal; 
Die Linden hinauf erdröhnt ihr Schritt, 
Preußen-Deutschland fühlt ihn mit. 
Lunderttausende auf den Zehenspitzen! 
Vorüber wo Einarm und Stelzfuß sitzen; 
Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Lolz 
Fährt der alte Schlachtenstolz. 
Lalt! 
Vor des Großen Königs ernster Gestalt. 
Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder. 
Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder; 
Er neigt sich leise über den Bug: 
„Bon soir, Messieurs, nun ist es genug." 
Wo Bismarck liegen soll. 
(Geschrieben am 31. Juli 1898.) 
Nicht in Dom oder Fürstengruft, 
Er ruh' in Gottes freier Lust 
Draußen aus Berg und Äalde, 
Noch besser tief, tief im Walde; 
Widukind lädt ihn zu sich ein: 
„Ein Sachse war er, drum ist er mein. 
Im Sachsenwald soll er begraben sein." 
Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt, 
Aber der Sachsenwald, der hält, 
And kommen nach dreitausend Jahren 
Fremde hier des Weges gefahren 
And sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen, 
Den Waldgrund in Efeu tief eingesponnen 
And staunen der Schönheit und jauchzen 
froh. 
So gebietet einer: „Lärmt nicht so! — 
Äier unten liegt Bismarck irgend¬ 
wo." 
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im 
Havelland. 
Äerr von Ribbeck aufRibbeck imÄavelland, 
Ein Birnbaum in seinem Garten stand. 
And kam die goldene Äerbsteszeit 
And die Birnen leuchteten weit und breit. 
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl. 
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll, 
And kam in Pantinen ein Junge daher. 
So rief er: „Junge, wist' ne Beer?" 
And kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn, 
Kumm man röwer, ick hebb' ne Birn." 
So ging es viel Jahre, bis lobesam 
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. 
Er fühlte sein Ende, 's war Lerbsteszeit, 
Wieder lachten die Birnen weit und breit. 
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab. 
Legt mir eine Birne mit ins Grab!" 
And drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus 
Trugen von Ribbeck sie hinaus. 
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht 
Sangen „Jesus meine Zuversicht", 
And die Kinder klagten, das Äerze schwer: 
„Äe is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" 
So klagten die Kinder. Das war nicht recht. 
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht. 
Der neue freilich, der knausert und spart, 
Äält Park und Birnbaum strenge verwahrt; 
Aber der alte, vorahnend schon 
And voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn, 
Der wußte genau, was damals er tat. 
Als um eine Birn' ins Grab er bat. 
And im dritten Jahr aus dem stillen Laus 
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus. 
And die Jahre gehen wohl auf und ab. 
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, 
And in der goldenen Äerbsteszeit 
Leuchtet's wieder weit und breit. 
And kommt ein Jung' übern Kirchhof her, 
So flüstert's im Baume: „Wiste ne Beer?" 
And kommt einMädel, so flüstert's: „Lütt Dirn, 
Kumm man röwer, ick gew' Di 'ne Birn." 
So spendet Segen noch immer die Land 
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Äavelland. 
Unter ein Bildnis Adolf Menzels. 
Gaben, wer hätte sie nicht? Talente — Spielzeug für Kinder; 
Erst der Ernst macht den Mann, erst der Fleiß das Genie. 
-#-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.