Object: Die alte Geschichte (Theil 1)

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erlangt haben. Seine vordere Schlachtreihe war mit Katzen be¬ 
waffnet, welche bei der Ankunft der Ägyptier in die Höhe gehoben 
wurden. Die bestürzten Ägyptier wagten nicht, ihre Pfeile abzu- 
schießen, aus Furcht, die heiligen Thiere zu treffen. 
Kambyses sandte alsbald ein Schiff den Nil hinauf und ließ 
durch Herolde die Stadt Memphis zur Übergabe auffordern. In 
der ersten Wuth haueten die Ägyptier das Schiff sammt der Mann¬ 
schaft in Stücke. Da ging Kambyses auf die Stadt los und nahm 
ste mit stürmender Gewalt. Psammenit und seine ganze Familie 
nebst den vornehmsten Ägyptiern wurden zu Gefangenen gemacht. 
Der aufgebrachte Sieger suchte dem Psammenit sein traupiges 
Schicksal recht fühlbar zu machen. Der Unglückliche saß in einem 
Hause der Vorstadt, von perstschen Trabanten bewacht. Zuerst 
wurde seine Tochter nebst den vornehmsten Jungfrauen in ärmli¬ 
cher Sklavenkleivung aus dem Lager in die Vorstadt geschickt, um 
Wasser zu holen. Es weinten die Jungfrauen, es weinten ihre 
Väter; nur Psammenit saß schweigend und thränenlos da, in fin¬ 
sterer Schwermuth, die Augen auf die Erde geheftet. Dann schickte 
Kambyses den einzigen Sohn des Königes an der Spitze von zwei 
tausend vornehmen Jünglingen, mit Stricken um den Hals und 
mit Zäumen im Munde, den Augen ihrer Väter vorüber zum 
Richtplatze. Und noch einmal stoffen die Thränen, noch einmal 
tönte das Jammergeschrei; nur aus Psammenit's Auge kam keine 
Thräne, aus seinem Munde kein Laut. Als der Zug der verur- 
theilten Jünglinge vorüber war, kam ein Greis, einst ein reicher 
Mann und Psammenit's Freund und Tischgenoß, jetzt hülflos und 
gebeugt unter dem Drucke der Jahre und Armuth und ging beim 
Kriegsvolke bettelnd umher. Als Psammenit diesen sah, weinte er 
bitterlich und rief ein über das andere Mal seinen alten Freund 
bei Namen. Kambyses wunderte sich, daß er jetzt weine, da er 
doch bei dem jammervollen Anblicke seiner Kinder ungerührt 
geblieben war, und ließ ihn nach der Ursache fragen. „Ach, 
— seufzete er, — für das Unglück des Freundes haben meine 
Augen noch Thränen, aber mein eigener Schmerz ist für Thränen
	        
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