Full text: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

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Du aber, die Prinzessin rückwärts führend, 
Entziehst dich eilig ihm; die Tür empfängt dich, 
Jungfrau und Kett' und Lorbeerkranz ver¬ 
schwinden, 
And einsam — einen Landschuh in der Land, 
Den er, nicht weiß er selber, wem? ent¬ 
rissen — 
Im Schoß der Mitternacht, bleibt er zurück. 
Kurf. Welch einen Landschuh? 
Hohz. Lerr, laß mich vollenden! — 
Die Sache war ein Scherz; jedoch von welcher 
Bedeutung ihm, das lernt' ich bald erkennen; 
Denn da ich durch des Gartens hintre Pforte 
Jetzt zu ihm schleich', als wär's von un¬ 
gefähr, 
And ihn erweck' und er die Sinne sammelt: 
Gießt die Erinnrung Freude über ihn; 
Nichts Rührenders fürwahr kannst du dir 
denken! 
Den ganzen Vorfall, gleich, als wär's ein 
Traum, 
Trägt er bis auf den kleinsten Zug mir vor; 
So lebhaft, meint' er, hab' er nie geträumt —: 
And fester Glaube baut sich in ihm auf. 
Der Limmel hab' ein Zeichen ihm gegeben: 
Es werde alles, was sein Geist gesehn, 
Jungfrau und Lorbeerkranz und Ehrenschmuck, 
Gott an dem Tag der nächsten Schlacht ihm 
schenken. 
Kurf. Lm! Sonderbar! — And jener Land¬ 
schuh? — 
Lohz. Ja! 
Dies Stück des Traums, das ihm verkörpert 
ward. 
Zerstört zugleich und kräftigt seinen Glauben. 
Zuerst mit großem Aug' sieht er ihn an: — 
Weiß ist die Färb', er scheint, nach Art und 
Bildung, 
Von einer Dame Land; — doch weil er keine 
Zu Nacht, der er entnommen könnte sein. 
Im Garten sprach, — durchkreuzt in seinem 
Dichten 
Von mir, der zur Parol' aufs Schloß ihn 
ruft, — 
Vergißt er, was er nicht begreifen kann. 
And steckt zerstreut den Landschuh ins Kollett. 
Kurf. Nun? Drauf? 
Hohz. Drauf tritt er nun 
mit Stift und Tafel 
Ins Schloß, aus des Feldmarschalls Mund 
in frommer 
Aufmerksamkeit den Schlachtbefehl zu hören; 
Die Fürstin und Prinzessin, reisefertig. 
Befinden grad' im Lerrensaal sich auch. 
Doch wer ermißt das ungeheure Staunen, 
Das ihn ergreift, da die Prinzeß den Land¬ 
schuh, 
Den er sich ins Kollett gesteckt, vermißt! 
Der Marschall ruft zu wiederholten Malen: 
Lerr Prinz von Lomburg! — Was befiehlt 
mein Marschall'? 
Entgegnet er und will die Sinne sammeln; 
Doch er, von Wundern ganz umringt —: 
der Donner 
Des Limmels hätte niederfallen können —! 
(Er hält inne.) 
Kurf. Wär's der Prinzessin Landschuh? 
Hohz. Allerdings. 
(Der Kurfürst fällt in Gedanken. Lohenzollern fährt 
fort.) 
Ein Stein ist er: den Bleistift in der Land, 
Steht er zwar da und scheint ein Lebender, 
Doch die Empfindung wie durch Zauber¬ 
schläge 
In ihm verlöscht; und erst am andern Morgen, 
Da das Geschütz schon in den Reihen donnert. 
Kehrt er ins Dasein wieder und befragt mich: 
Liebster, was hat schon Dörfling, sag mir's, 
gestern. 
Beim Schlachtbefehl, mich treffend, vorge¬ 
bracht '? 
Feldmarschall. Lerr, die Erzählung, wahr¬ 
lich, unterschreib' ich. 
Der Prinz, erinnr' ich mich, von meiner Rede 
Vernahm kein Wort; zerstreut sah ich ihn oft, 
Jedoch in solchem Grad abwesend ganz 
Aus seiner Brust noch nie als diesen Tag. 
Kurf. And nun, wenn ich dich anders recht 
verstehe. 
Türmst du, wie folgt, das Schlußgebäu mir 
auf: 
Lätt' ich mit dieses jungen Träumers Zustand 
Zweideutig nicht gescherzt, so blieb er schuldlos. 
Bei der Parole wär' er nicht zerstreut, 
Nicht widerspenstig in der Schlacht gewesen. 
Nicht? Nicht? Das ist die Meinung? 
Hohz. Mein Gebieter, 
Das überlaß' ich jetzt dir zu ergänzen. 
Kurf. Tor, der du bist. Blödsinniger! 
Lüttest du 
Nicht in den Garten mich hinabgerufen.
	        
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