Full text: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

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10. Auftritt. 
Szene: Ein Garten im allfranzösischen Stil. Im Hinter¬ 
gründe ein Schloß, von welchem eine Rampe herab- 
fiihrt. — Es ist Nacht. Der Prinz von Lomburg wird 
vom Rittmeister Stranz mit verbundenen Augen durch 
das untere Gartengitter aufgeführt. Offiziere mit 
Wache. — In der Ferne hört man Trommeln des 
Totenmarsches. 
P. v. H. Nun, o Ansterblichkeit, bist du 
ganz mein! 
Du strahlst mir durch die Binde meiner Augen 
Mit Glanz der tausendfachen Sonne zu! 
Es wachsen Flügel mir an beiden Schultern, 
Durch stille Ätherräume schwingt mein Geist; 
And wie ein Schiff, vom Lauch des Winds 
entführt, 
Die muntre Lafenstadt versinken sieht. 
So geht mir dämmernd alles Leben unter: 
Jetzt unterscheid' ich Farben noch und Formen, 
And jetzt liegt Nebel alles unter mir. 
(Der Prinz setzt sich auf die Bank, die in der Mitte 
des Platzes um eine Eiche aufgeschlagen ist, der Ritt¬ 
meister Stranz entfernt sich von ihm und sieht nach 
der Rampe hinauf.) 
Ach, wie die Nachtviole lieblich duftet! 
— Spürst du es nicht? 
(Stranz kommt wieder zu ihm zurück.) 
Stranz. Es sind Levkojn und Nelken. 
P. v. H. Levkojn? — Wie kommen die 
hierher? 
Stranz. Ich weiß nicht. — 
Es scheint, ein Mädchen hat sie hier gepflanzt. 
— Kann ich dir eine Nelke reichen? 
P. v. H. Lieber! — 
Ich will zu Lause sie in Waffer setzen. 
11. Auftritt. 
Der Kurfürst, mit dem Lorbeerkranz, um welchen die 
goldne Kette geschlungen ist, Kurfürstin, Prinzessin 
Natalie, Feldmarschall Dörfling, Obrist Kottwitz, 
Lohenzollern, Golz usw. — Lofdamen, Offiziere und 
Fackeln erscheinen auf der Rampe des Schlosses. — 
Lohenzollern tritt mit einem Tuch an das Geländer 
und winkt dem Rittmeister Stranz, woraus dieser den 
Prinzen von Lomburg verläßt und im Lintergrund 
mit der Wache spricht. 
P. v. H. Lieber, was für ein Glanz ver¬ 
breitet sich? 
Stranz (kehrt zu ihm zurück). Mein Prinz, 
willst du gefällig dich erheben? 
P. v. H. Was gibt es? 
Stranz. Nichts, das dich erschrecken 
dürfte! — 
Die Augen bloß will ich dir wieder öffnen. 
P. v. H. Schlug meiner Leiden letzte 
Stunde? 
Stranz. Ja! — 
Leil dir und Segen, denn du bist es wert! 
(Der Kurfürst gibt den Kranz, an welchem die Kette 
hängt, der Prinzessin, nimmt sie bei der Land und 
führt sie die Rampe hinab. Lerren und Damen folgen. 
Die Prinzessin tritt, umgeben von Fackeln, vor den 
Prinzen, welcher erstaunt aufsteht, setzt ihm den Kranz 
aus, hängt ihm die Kette um und drückt seine Land 
an ihr Lerz. Der Prinz fällt in Ohnmacht.) 
Natalie. Limmel! Die Freude tötet ihn! 
Hohz. (faßt ihn auf.) Zu Lilse! 
Kurf. Laßt den Kanonendonner ihn er¬ 
wecken ! 
(Kanonenschüsse. Ein Marsch. Das Schloß erleuchtet 
sich.) 
Kottw. Leil, Leil dem Prinz von Lomburg! 
Die Offiziere. Leil! Leil! Leil! 
Alle. Dem Sieger in der Schlacht bei 
Fehrbellin! 
(Augenblickliches Stillschweigen.) 
P. v. H. Nein, sagt! Ist es ein Traum? 
Kottw. Ein Traum, was sonst? 
Mehrere Offiziere. Ins Feld! Ins Feld! 
Graf Truchß. Zur Schlacht! 
Feldmarschall. Zum Sieg! Zum Sieg! 
Alle. In Staub mit allen Feinden 
Brandenburgs! 
II. Michael Kohlhaas. 
Erzählung. 
M. Kohlhaas, ein brandenburgischer Roffehändler, der in den glücklichsten Berhältniffen 
lebt, wird auf einem Ritt nach Dresden widerrechtlich gezwungen, auf der Burg des Junkers 
von Tronka für einen noch vorzulegenden Paßschein zwei gute Roffe zum Pfande zu lassen. 
Zurückgekehrt, findet er die Pferde durch Aberanstrengung und Lunger ganz heruntergekommen 
und seinen bei den Pferden zurückgelassenen Knecht so arg mißhandelt, daß er aus den Tod 
daniederliegt. Auf seine Beschwerde bei der sächsischen Regierung findet Kohlhaas kein Recht, 
da die am sächsischen Lose mächtigen Verwandten des Junkers gegen ihn wirken. Seine 
;frau erbietet sich, die Bitte des Rossehändlers um Lerstellung seines Rechts dem Landes¬ 
herrn, dem Kurfürsten von Brandenburg, persönlich zu überreichen. Dabei wird sie von
	        
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