Der Entwicklungsgang.
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3. Am einundzwanzigsten August so
eben
Kam ein Spion bei Sturm und Regen,
Schwur's dem Prinzen und zeigt's ihm an,
Daß die Türken suragieren,
So viel als man konnt verspüren,
An die dreimalhunderttausend Mann.
4. Als Prinz Eugenius dies ver¬
nommen,
Ließ er gleich zusammen kommen
Sein' General und Feldmarschall.
Er tät sie recht instrugieren,
Wie man sollt die Truppen führen
Und den Feind recht greifen an.
5. Bei der Parole tät er befehlen,
Daß man sollt die Zwölfe zählen
Bei der Uhr um Mitternacht;
Da sollt alls zu Pferd aufsitzen,
Mit dem Feinde zu scharmützen,
Was zum Streit nur hätte Kraft.
6. Alles saß auch gleich zu Pferde,
Jeder griff nach seinem Schwerte,
Ganz still ruckt man aus der Schanz;
Die Musketier wie auch die Reiter
Täten alle tapfer streiten,
Es war fürwahr ein schöner Tanz.
7. Ihr Konstabler aus der Schanzen,
Spielet auf zu diesem Tanzeu
Mit Kartaunen groß und klein,
Mit den großen, mit den kleinen,
Auf die Türken, auf die Heiden,
Daß sie laufen all' davon!
8. Prinz Eugenius wohl auf der
Rechten
Tät als wie ein Löwe fechten
Als General und Feldmarschall.
Prinz Ludwig ritt auf und nieder:
„Halt euch brav, ihr deutschen Brüder,
Greift den Feind nur herzhaft an!"
9. Prinz Ludewig, der mußt aufgeben
Seinen Geist und junges Leben,
Ward getroffen von dem Blei.
Prinz Eugenius ward sehr betrübet,
Weil er ihn so sehr geliebet,
Ließ ihn bringen nach Peterwardein.
vierte Periode, von 1725 bis in die neueste Zeit.
Erster Abschnitt.
Die Vorbereitungszeit. Von 1725 bis 1785.
Ausbildung einer nationalen Literatur, besonders im Zeitalter
Zriedrichr de; Grohen, bi; zur Sturm- und Drangperiode.
Der Entwicklungsgang. Die staatliche und geistige Wiedergeburt des
deutschen Volkes geht nur langsam von statten. Die Reichsversassung gerät in
immer tieferen Verfall. Die Habsburgischen Kaiser, welche schon im 17. Jahrhundert
deutsches Land dem übermächtig gewordenen westlichen Nachbar preisgegeben haben,
behalten fast nur das Veste ihrer Familie und des österreichischen Gesamtstaates im
Auge. Die Fürsten der einzelnen Staaten huldigen immer mehr willkürlicher Eigen¬
art. Die Höfe und der Adel versinken in Ausländerei rmd vielfach in Sittenlosigkeit.
Die Gelehrten beharren in ihrer Abgeschlossenheit und in ihrer Verachtung vater¬
ländischer Sprache und Literatur. Aber während der österreichische Kaiserstaat durch
die habsburgische Politik, durch den Einfluß seiner Nebenländer und durch den kon¬
fessionellen Gegensatz mehr und mehr von dem übrigen Deutschland getrennt wird,
ist im Norden Deutschlands unter den Hohenzollern eine neue staatliche Schöpfung,
der lebenskräftige Stamm eines deutschen Staates eniporgestiegen. Nachdem der
Deutsches Lesebuch für Prima. g