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Erzählende Dichtung. 
überlegen, wie ihr es hier oben haben wollt. Jeder von euch soll es genau so 
haben, wie er sich es selber wünscht. Also bedenkt's, und wenn ich wieder¬ 
komme, macht keine Umstände, sondern sagt's und vergeht nichts; denn nachher 
ist's zu spät." — 
Damit ging er fort. Als er dann nach einiger Zeit zurückkehrte und 
fragte, ob sie fertig mit Überlegen wären und wie sie es sich in der Ewigkeit 
wünschten, sprang der reiche Mann von der Bank auf und sagte, er wolle ein 
großes, goldenes Schloß haben, so schön, wie der Kaiser keins hätte, und jeden 
Tag das beste Essen. Früh Schokolade und mittags einen Tag um den an¬ 
dern Kalbsbraten mit Apfelmus und Milchreis mit Bratwürsten und nachher 
rote Grütze. Das wären seine Leibgerichte. Und abends jeden Tag etwas 
andres. Weiter wolle er dann einen recht schönen Großvaterstuhl und einen 
grünseidnen Schlafrock, und das Tageblättchen solle Petrus auch nicht vergessen, 
damit er doch wisse, was passiere. 
Da sah ihn Petrus mitleidig an, schwieg lange und fragte endlich: „Und 
weiter wünschest du dir nichts?" — „O ja!" siel rasch der Reiche ein, „Geld, 
viel Geld, alle Keller voll; so viel, daß man es gar nicht zählen kann!" 
„Das sollst du alles haben", entgegnete Petrus, „komm, folge mir!" und 
er öffnete eine der vielen Türen und führte den Reichen in ein prachtvolles, 
goldenes Schloß; darin war alles so, wie jener es sich gewünscht hatte. Nach¬ 
dem er ihm alles gezeigt, ging er fort und schob vor das Tor des Schlosses 
einen großen eisernen Riegel. Der Reiche aber zog sich den grünseidenen 
Schlafrock an, setzte sich in den Großvaterstuhl, aß und trank und ließ sich's 
gut gehen, und wenn er satt war, las er das Tageblättchen. Und jeden Tag 
einmal stieg er hinab in den Keller und besah sein Geld.- 
Und zwanzig und fünfzig Jahre vergingen und wieder fünfzig, sodaß es 
hundert waren, — und das ist doch nur eine Spanne von der Ewigkeit — da 
hatte der reiche Mann sein prächtiges, goldenes Schloß schon so überdrüssig, 
daß er es kaum mehr aushalten konnte. „Der Kalbsbraten und die Bratwürste 
werden auch immer schlechter", sagte er, „sie sind gar nicht mehr zu genießen!" 
Aber es war nicht wahr, sondern er hatte sie nur satt. „Und das Tageblätt¬ 
chen lese ich schon lange nicht mehr", fuhr er fort; „es ist mir ganz gleich¬ 
gültig, was da unten auf der Erde sich zuträgt. Ich kenne ja keinen einzigen 
Menschen mehr. Meine Bekannten sind schon längst alle gestorben. Die 
Menschen, die jetzt leben müssen, machen so närrische Streiche und schwatzen so 
sonderbares Zeug, daß es einem schwindlig wird, wenn man's liest". Darauf 
schwieg er und gähnte, denn es war sehr langweilig, und nach einer Weile 
sagte er wieder: 
„Mit meinem vielen Gelde weiß ich auch nichts anzufangen. Wozu hab' 
ich's eigentlich? Man kann sich hier doch nichts kaufen; wie ein Mensch nur 
so dumm sein kann und sich Geld im Himmel wünschen!" Dann stand er auf, 
öffnete das Fenster und sah hinaus.
	        
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