B. Poesie 
!. Episches. 
1. Homer. 
Auf Olympos' hohem Haupte 
Saß der Götter sel'ge Schar, 
Dunklen Wein in lichtem Golde 
Brachte Hebe ihnen dar. 
Schweigen herrschte in der Runde 
Und kein Lächeln war erlaubt, 
Denn Kronion beugte trauernd 
Das umlockte heil'ge Haupt. 
Heiß und rot in seinem Becher 
Schwamm des Weines dunkle Flut, 
Flammenschein von Trojas Brande, 
Widerschein von Priams Blut. 
Und er hob empor den Becher, 
„Nimmer," sprach er, „nimmerdar 
Ziehen fürder Opfer spendend 
Trojas Knaben zum Altar. 
Nimmer bringen Trojas Mädchen 
Weines süße Labe mir — 
Diesen Becher, diesen letzten, 
Ilion, du geliebtes, dir!" — 
In des Göttervaters Auge 
Flammend eine Träne hing, 
Tiefes Schauern, heil'ges Beben 
Durch die Schar der Götter ging. 
Tiefes Schauern, heil'ges Beben 
Durch die Lande weit und breit, 
Schweigend neigte sich die Erde 
Vor dem großen Götterleid. — 
Und es floß die heil'ge Träne 
Langsam rollend erdenwärts, 
Zettel-Jakob, Lesebuch VI. 
Unaufhaltsam, bis sie ruhte 
Zitternd in Homeros' Herz. — 
Tief im Schlummer lag Homeros, 
Da ergriff's ihn bang und schwer, 
Und er träumt', er trüg' im Busen 
Das allmächt'ge Weltenmeer. 
Und er träumt', in seinem Busen 
Küßten Sonne sich und Mond — 
Stürmend trieb es ihn vom Lager 
Und vom Haus, da er gewohnt. — 
Wahnsinn flog um seine Schläfen, 
Auf sein Auge sank die Nacht, 
Doch im Herzen glüht' und sprüht' ihm 
Unermeßne Weltenpracht. 
Da entströmte seinen Lippen 
Tiefer, wonnevoller Klang — 
Und es war das Lied von Ilion, 
Das Homer den Völkern sang. 
Über Länder, über Meere 
Zog der feierliche Ton, 
Lauschend neigte sich die Erde 
Vor dem großen Erdensohn. 
Um den Sitz der sel'gen Götter 
Schwang das Lied die Flügel her, 
Von der Priamiden Sterben 
Lauschten sie der großen Mär. 
Von dem Sessel sprang Kronion, 
„Füll' den Becher, Hebe, mir! 
Diesen Becher, diese Spende 
Bringe ich, Homeros, dir! 
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