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Bilder aus der Geographie und Geschichte.
Freilich ist die Reform nicht ohne Kampf, nicht ohne innerstaatlichen Kampf
durchgeführt worden. Wie das Volksaufgebot gegen die Wortführer des alten
Söldnertums zu verteidigen war, so nicht weniger und noch lveit länger das
stehende Heer und die gründliche technische Ausbildung gegen die Bewunderer
der Miliz. Dieser Kampf mußte noch das ganze 19. Jahrhundert und leider auch
noch bis in unser Jahrhundert hinein geführt werden. In den Kämpfen um
die Heeresfrage, die unsere Regierungen in den Parlamenten auf sich genommen
haben, bildeten den zu bekämpfenden Gegensatz zwar nicht lediglich, aber zum
größern Teil und meistens eine bald offene bald versteckte Sympathie für die
Miliz und eine Unterschätzung der Vorzüge des stehenden Heeres. Es handelt
sich hier um einen der Fälle, in denen die oppositionellen Parteien des 19. Jahr¬
hunderts an die Opposition der alten Landstände anknüpfen. Von der Geschichte
unseres ersten Kaisers und seiner Paladine ist untrennbar der Kampf gegen
solche Vorurteile. Heiß entbrannte der Streit vor allem dann, wenn die Lenker
unsers Vaterlandes das am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgerichtete Werk
in seinem Geist fortführen, dem Heer ganz feste Grundlagen geben, es im Ein¬
klang mit den Aufgaben des Staats und der Vermehrung der Bevölkerung ver¬
größern und damit ein wahres Volk in Waffen schaffen wollten. Wir dürfen
uns rühmen, daß in der Erhebung, die der gegenwärtige Kampf für unser Vater¬
land hervorgebracht hat, eine einhellige Überzeugung erreicht ist, und wir haben
die Zuversicht, daß der Widerspruch gegen unsere Heereseinrichtungen der Ver¬
gangenheit angehört. „Unsere Kinder und Kindeskinder" — so schrieb kürzlich
ein in unsrer Stadt lebender Sozialdemokrat (Fendrich) — „werden noch davon
erzählen, wie sich der angeblich seelenlose Mechanismus unsrer Militürgewalt nur
als ein Stück jener heiligen Ordnung erwiesen hat, die Schiller eine Himmels¬
tochter nennt. . . Auch die, welche gegen den immer unzufriedenen Militarismus
manches scharfe Wort hatten fallen lassen, danken jetzt heimlich Gott, daß im
Reichstage auch gegen ihren Willen alles angenommen war. Denn wo wären
wir sonst jetzt?"
Wir wissen heute, was uns unser Heer ist. Unsre Sache ist nicht auf matte
Milizen gestellt, die einem geübten feindlichen Heer nicht zu begegnen vermögen.
Man meidet und fürchtet das Heer nicht mehr wie in der Zeit des zügellosen
Söldnertums. Unser Staat ist nicht wie in der Zeit des Lehnswesens auf den
guten Willen trotziger Krieger angewiesen. Heute verhängt man nicht mehr wie
in der Zeit der Exemtionen die Einreihung in das Heer als Kriminalstrafe,
sondern man ehrt und liebt das Heer, weil es sich aus unsern Brüdern zusammen¬
setzt. Heute feilscht man nicht darum, wer die Kurkosten für die verwundeten
Krieger tragen soll; die Familien unsrer Fürsten wetteifern vielmehr mit dem
ganzen Volk die Verwundeten zu pflegen. Und nicht weniger gilt die Fürsorge
für die Invaliden als Ehrenpflicht der Nation.
Der kriegerische Sinn unsers Volks ist kein Hindernis andre Bürger¬
tugenden zu entwickeln, andre Künste und Berufe zu pflegen. In einer Mannig-