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Bilder aus der Geographie und Geschichte. 
tums nicht entziehen. Sie kamen, namentlich im Hochgebirge, in wirtschaftlich 
vollkommen veränderte Daseinsbedingungen: sehr begreiflich, daß sie da die vor¬ 
gefundenen Wirtschaftsformen der Romanen sich zn eigen machten. So weisen 
namentlich die Bezeichnungen beim Weinbau und bei der Alpenwirtschaft — 
z. B. Alm, Senner, Kaser, Schotten — darauf hin, daß hier einfach die römische 
Kultur von den Germanen übernommen ist; auch beim Bergbau und beim 
Salinenwesen wird sehr starker römischer Einfluß stattgefunden haben und ebenso 
hat die heimische Baukunst durch römische Einwirkungen höchst wesentliche Ände¬ 
rungen und Entwicklungen erfahren. Auf derartige äußere, vornehmlich wirt¬ 
schaftliche Dinge beschränkt sich aber in der Hauptsache der Einfluß des Romanen¬ 
tums; Sitte und Recht sowie das innere Leben blieben von ihm unberührt. 
Das Gesagte läßt wohl zur Genüge erkennen, daß an eine Verdrängung 
der Romanen durch die Bayern nicht zu denken ist; aber noch weit mehr muß 
man sich hüten die Kulturarbeit des bayerischen Stammes zn gering anzuschlagen. 
Es ist doch das Verdienst der bayerischen Invasion, daß heutzutage Bayern und 
Deutsch-Österreich germanische Länder sind. Zäh das einmal Errungene be¬ 
hauptend dehnte man in langsamer stetiger Arbeit die Wurzelfasern weiter und 
weiter aus, schob die Siedelungen von der gesicherten Basis der großen Täler 
immer tiefer ins Gebirge vor, begnügte sich nicht mit der Ausbeutung des schon 
von den Kelten und Römern angeballten Landes, sondern rodete mutig in beit 
Urwald hinein — noch heute erinnern die zahlreichen Namen auf -reut und -ried 
an diese Periode wirtschaftlichen Fortschreitens. Durch den bayerischen Stamm 
fand hier im Südosten eine Kolonisation des Germallentums auf römischem 
Boden statt, die sich an Umfang mit der fränkischen im Nordwesten wohl messen 
konnte, in der Dauerhaftigkeit der erzielten Ergebnisse sich ihr weit überlegen 
erwies. Ich stehe nicht an zu behaupten, daß neben der Begründung des ersten 
wirklichen Einheitsstaats auf germanischer Grundlage durch Chlodowech und seine 
Nachfolger die Germanisiernng des Süd oste ns durch die Bayern das be¬ 
deutsamste Ereignis unsrer nationalen Geschichte in der Periode der Völker- 
wanderung darstellt. 
Walther Schultze, Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zu den Karolingern 
(Stuttgart 1896, Cotta), 2. Bd. 
5. Zwei Bildnisse Karls des Großen. 
Nach dem Aufstand der Pariser Kommune im Jahre 1871 zog man aus 
den Trümmern des eingeäscherten Hotel de Ville eine Bronzestatuette hervor, 
kaum ein Viertelmeter hoch, unscheinbar durch Alter und Zerstörung mancher 
Einzelheit. Genauere Untersuchung ergab als unzweifelhaft, daß in ihr das 
einzige glaubhafte Bild Karls des Großen auf unsere Tage gekommen. 
Die Statuette stellt den Kaiser zll Pferde dar, gailz im Sinne jener antiken 
Reiterbilder, von denen das Standbild Mark Aurels auf dem Kapitol eine Vor¬ 
stellung gibt. Auf kräftig gebautem Roß sitzt Karl zuversichtlich und majestätisch
	        
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