II. Geschichte, Menschenleben, Legenden.
1. Koriokan und Weturia.
491 v. Chr.
iarcius, der in der Folge unter dem Namen Coriolanus so berühmt
ward, stammte von Ancus Marcius, Numas Enkel und Roms
vierten! Könige, ab. Schon in seiner Jugend der stärkste und
unerschrockenste Manu seiner Zeit, mußte er notwendig einer von
den Helden dieses kriegerischen Roms werden, in dessen Sprache
das Wort Tapferkeit (virtus) zugleich Tugend bedeutet.
Schon als er das erste Mal auf dem Kriegsschauplätze wider
die Lateiner aufgetreten, erwarb er sich eine Bürgerkrone; und
nachher wurde kein Tressen mehr geliefert, in welchem er nicht
irgend einen Ehrenpreis davongetragen hätte. Unterdessen aber
seine Kriegsgefährten einen mit Blut erkauften Ruhm zum Ziele ihrer Tapferkeit wählten,
inachte er die Freude seiner Mutter Beturia zum Ziele seines Ruhmes. Sie zur Zeugin
der Siegespalmen zu machen, die er einerntete; die Kränze, die er sich erworben hatte,
in ihren Händen, und sich von ihren Armen umschlungen, und von den Freudenthränen,
die seine Thaten ihr auspreßten, benetzt zu sehen, das war seine höchste Glückseligkeit.
Beturia aber hatte ihren Sohn in den Grundsätzen der Aristokratie nur zu streng er¬
zogen, welches dann auch die Grundlage seines Unglücks geworden.
Nach der Eroberung der Hauptstadt der Volsker, Corioli, erhielt er den Namen
Coriolan, und da er in einem weitern Treffen die Volsker geschlagen, wurde seine
Tapferkeit bis in den Himmel erhoben, und nachdem er sich endlich in ferneren Schlachten
Ehre und Ruhm erworben hatte, hielt er sich für mächtig genug, die Macht der Tribunen
und des Volkes zu Rom zu schwächen und den Stand der Patricier emporzuschwingen.
Die gewaltsamen Maßregeln aber, deren er sich bediente, brachten bald die Tribunen
und das Volk auf den höchsten Grad der Erbitterung. Man war schon im Begriffe,
ihn von dem Tarpejischen Felsen herabzustürzen, als ihn noch zwei Patricier retteten.
Endlich kam es doch so weit, daß man ihn zur ewigen Landesverweisung verurteilte.
Coriolan verließ Rom, von vielen Patriciern bis an die Thore der Stadt be¬
gleitet; und nachdem er seiner untröstlichen Mutter und Gattin ein ewiges Lebewohl
gesagt hatte, begab er sich nach Antium, einer Hauptstadt der Volsker. Nur Wut und
Rache kochten jetzt in seiner empörten Seele; und dieses bewog ihn zu dem verzweifelten
Entschlüsse, sich seinen und Roms Feinden in die Arme zu werfen. Es war Tullns
Amsidius, der dazumal zu Antium lebte und bei den Volskern in fast königlichem An¬
sehen stand: ein Mann, der mit der Muttermilch den Haß des römischen Namens ein¬
gesogen hatte. Da aber Coriolan eben diesem Tullns, welchen er in Schlachten mehr
als einmal zum Zweikampfe aufgefordert hatte, persönlich verhaßt war, so bediente er
sich einer besondern Maßregel, sich ihm zu nähern, um sein Leben nicht sogleich in
Gefahr zu setzen.