Full text: Deutsches Lesebuch für die Obersekunda der höheren Lehranstalten

t 
VIII 
Vorwort. 
sehen. An und mit diesem soll „die sprachliche Anschauung der Schüler 
Klarheit, Reinheit, Tiefe gewinnen und sich allmählich Zu einer entsprechenden 
Fertigkeit der eigenen Anwendung umbilden". „An Musteraufsätzen, sagt 
Hermann Schiller, muß der Schüler die Absicht des Schriftstellers und die 
zur Erreichung derselben gewühlte Anlage begreifen lernen, die einheitlichen 
Grundgedanken heraussuchen, welche den Zusammenhang der einzelnen koordi¬ 
nierten Teile des Lesestückes beherrschen, seien es nun Gruppen von Gedanken 
oder einzelne Begriffe." Die Schönheit jeder Prosa beruht ans der Klarheit 
des Gedankens und auf der Richtigkeit, Angemessenheit und Anschaulichkeit 
des Ausdrucks. Das beste Mittel die Sprech- und Schreibgewandtheit 51t 
entwickelt!, ist der Bericht über Mnsteraufsätze oder die schriftliche Nachbildung 
derselben. An konkretem Lesestoffe ist nachzuweisen, was unter Disposition 
Zu verstehen ist, wie dieselbe zweckmäßig und richtig entsteht, d. h. wie die 
sprachliche Darstellung unter dem Gesetz fortschreitender Gedankenentwicklung 
und dem Gesetz der Steigerung steht. „Solange es aber nicht auf allen 
Stufen Grundsatz und Übung wird, sagt Hermann Schiller, daß der Schiller 
aus jedem Lesestück außer der Aneignung des Inhalts eine kleine Anzahl 
planmäßig von dem Lehrer festgestellter sprachlicher Thatsachen zu seinem 
Eigentum gewinnt, teils in dem Wortschatz, insbesondere durch Erschließung 
der tieferen Bedeutung, teils in der Verknüpfung desselben, teils in der 
Satzverbindung, teils in der Behandlung der Übergänge, so lange wird die 
deutsche Lektüre nicht den Gewinn abwerfen, den sie bringen konnte." Diese 
goldene Regel sollte jedem deutschen Lesebuche vorgedrnckt werden. 
Essen, im Inni 1897 
WeinboLö Wiese.
	        
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