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Zur Kulturgeschichte.
Küstenfahrten. Die Unfruchtbarkeit ihres kleinen Küstenlandes machte die
kühnen Kanaaniter — so nennt sie das Alte Testament — zu einem See¬
volke, das in seinen Bestrebungen und Erfolgen die Bewunderung aller
Zeiten verdient. An Cedern zum Schiffbau war kein Mangel im Libanon.
Für Kriegszwecke bauten die Phönizier lange, schmale, schnellsegelnde Schiffe,
während kurze, vollbauchige, sogenannte „runde" Schiffe dem Frachtverkehr
dienten; die Schisse waren einmastig, fiihrten ein großes Rahsegel wie die
chaldäischen Schiffe und konnten ailch mit Riemen fortbewegt werden. Wie
zwei Jahrtausende später die streitbaren Nordmänner auf ihren Meerdrachen,
die überhaupt merkwürdige Ähnlichkeit mit den phönizischen Schiffen hatten,
ihre Schilde außen längs der Bordwand befestigten, so pflegten es auch scholl
die Phönizier zu thun, wie überlieferte Bilder beweisen. Um Sklaven zu
jagen, die zur Holzarbeit und zum Rudern der Schiffe nötig waren, wurde
bald neben denl Seehandel ailch emsig Seeraub an den Mittelländischen
Küsten betrieben. Sidon, das um 3000 vor Chr. gegründet sein soll, wurde
bald von der Tochterstadt Tyrus, die um 275O vor Chr. entstand, über¬
flügelt. Biele Jahrhunderte lang beherrschten - die Phönizier ohne Neben¬
buhler die See. Bon den Schätzen, die sie erwarben, von der Pracht, in
der sie lebten, schreibt der Prophet Hesekiel im 27. Kapitel. Das Aufblühen
der vielen Ansiedlungen, die weiten Fahrten der thatkräftigen phvnizischen
Seeleilte finb ziemlich genall bekannt. Besonders wichtig wareli ihre Kolonieen
Aradus iiitb Tripolis in Syrien, Karthago und Utika an der nordafrikallischen
Küste, die aus den Inseln Cyperll, Rhodus, Kreta, Malta, Sizilien (Palermo)
und Sardinien und an der spanischen Küste (Cartagelia und Malaga).
Gades (Cadix) im Atlantischen Ozeall soll um 1160 vor Chr. voll ihnen
gegründet sein; die Tarsissahrer (Westsahrer) liefen den Guadalquivir hinailf,
der damals bei Cadix mündete, tmb erbauten Sevilla. Die spanischen Häsen
wurden für die Phönizier die Ausgangspunkte für die kühnen Fahrten llach
den Zinninseln, den Scilly-Jnseln an der Sildwestspitze Englands, lvo sie
Bergwerke zllr Erbentung der Erze anlegten. Spaniens Berge lieferten ihnen
Silber, Gold, Kupfer und Blei, seine Gewässer gaben Pnrpurschnecken zum
Färbell der Gewänder iiitb Fische, die getrocknet verfrachtet wurden. Bis
an die nlecklenbllrgische Küste drangen wahrscheinlich die großeil seetüchtigen
Tarsisschiffe vor, um Bernstein zu holen; die Ausgrabung eines phönizischen
Opferwagens in der Nähe von Schwerin deutet aus ihre Besilche. Die
phönizischen Ophirfahrer, die Südfahrer, hatteil ihre Schiffe im Roten Meere;
sie beherrschten die Küsten Arabiens, Persiens iiitb wahrscheinlich auch die
indische Küste bis nach Ceylon hin. Ums Jahr 1000 vor Chr. holten die
Schiffe Hirams, des Königs von Tyrus, Bauholz, Gold nnb Silber von
den Küsten des Indischen Ozeans für den Tempelban Salonios.
Der Reichtulil, den die Phönizier durch ben Seehandel erwarben, schuf
ihnen aber mit der Zeit Neider und Feinde. So drängten im achten Jahr¬