Vorrede zur ersten Anstage
Der Umstand, daß von den vielen vorhandenen deutschen Lesebüchern
keines dem durch die bayerische Schulordnung für die zwei unteren
Gymnasialklassen (Sekunda) vorgeschriebenen Lehrgänge entspricht, hat
die Mehrzahl der bayerischen Gymnasien bisher veranlaßt, sich mit der
Lektüre einer Auswahl von Gedichten Uhlands, Schillers, Goethes,
Platens, Klopstocks und Herders in Einzelausgaben zu begnügen, auf
die Lektüre prosaischer Lesestücke aber fast ganz zu verzichten. Die
Abfassung eines für die 1. und 2. Gymnasialklasse bestimmten Lesebuches
war sonach unzweifelhaft ein Bedürfnis und wurde von den Herren Fach
genossen im Interesse des deutschen Unterrichts lebhaft gewünscht.
Für die Auswahl der Gedichte war in erster Linie die ein¬
schlägige Bestimmung der bayerischen Schulordnung bestimmend, die also
lautet:
„Die Klassenlektüre hat sich in der 1. und 2. Gymnasialklasse mit
den epischen und lyrischen Dichtungsarten (Klopstock, Schiller, Goethe,
Herder, Uhland, Platen) zu befassen. Auch die künstlicheren und aus¬
ländischen Formen der Lyrik werden besprochen und an passenden Mustern
erläutert."
Demgemäß wurden vor allem solche Gedichte genannter Autoren
aufgenommen, welche sich für Sekundaner eignen. Manche von jenen
Gedichten sind allerdings schon in den Lesebüchern für die Lateinschule*)
(Sexta bis Obertertia) enthalten; aber abgesehen davon, daß die meisten
Schillerschen Balladen erst von 16—17 jährigen Schülern verstanden
werden können, scheint es für Unterrichtszwecke notwendig, früher ge-
*) Als Lesebücher, deren Benützung dem Gebrauch unseres Buches vorangeht,
galten uns die in Bayern gebrauchten Lesebücher von Ludiv. Bauer, Hopf, Masius
und Zettel. So wurden beispielsweise von den Rätseln Schillers diejenigen auf¬
genommen, welche in jenen Büchern fehlen.