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an einen Seelenverkäufer, und man hat nichts mehr von ihm gehört. Von
da ab war den Burschen im Schwarzwald Holland das Paradies und der
Holländer-Michel ihr König. Die Holzherren erfuhren lange nichts von
dem Handel, und unvermerkt kamen Geld, Trunk, Flüche, Spiel und schlechte
Sitten aus Holland herauf.
Der Holländer-Michel war, als die Geschichte herauskam, nirgends
zu finden, aber tot ist er auch nicht; seit hundert Jahren treibt er seinen
Spuk im Walde, und man sagt, daß er schon vielen behilflich gewesen sei,
reich zu werden, aber — auf Kosten ihrer armen Seele, und mehr will
ich nicht sagen. Aber so viel ist gewiß, daß er noch jetzt in solchen
Sturmnächten im Wald überall die schönsten Tannen aufsucht, und mein
Vater hat ihn eine vier Schuh dicke umbrechen sehen wie ein Rohr. Mit
diesen beschenkt er die, welche sich vom Rechten abwenden und zu ihm
gehen; um Mitternacht bringen sie dann die Gestöre ins Wasser, und er
rudert mit ihnen nach Holland. Aber wäre ich König von Holland, ich
ließe ihn mit Kartätschen in den Boden schmettern. Denn alle Schiffe,
die von dem Holländer-Michel auch nur einen Balken haben, müssen unter¬
gehen. Daher kommt es, daß man von so vielen Schiffbrüchen hört; wie
könnte denn sonst ein schönes, starkes Schiff, groß wie eine Kirche, zu¬
grunde gehen auf dem Wasser? Aber so oft der Holländer-Michel in
einer Sturmnacht im Schwarzwald eine Tanne fällt, springt eine seiner
alten aus den Fugen des Schiffes, das Wasser dringt ein, und das Schiff
ist mit Mann und Maus verloren."
Die Zuhörer dankten dem Alten für die Erzählung; der Sturm hatte
sich indessen gelegt, und der Mond schien so hell, daß der Köhler sich noch
auf den Heimweg machte und glücklich zu Haus ankam, ohne dem Holländer-
Michel begegnet zu sein.
133. Veil und RÜb^afol* Von Job. Karl HuguTt sßuTäus.
Volksmärchen der Deutschen. Bearbeitet von Dr. M. W. Gotthard Müller.
Stuttgart o. J. 8. 53.
1.
einem Bauer in der Amtspflege Reichenberg in Böhmen hatte ein
böser Nachbar sein Hab und Gut abgerechtet, und nachdem sich die
Justiz seiner letzten Kuh bemächtigt hatte, blieb ihm nichts übrig als ein
abgehärmtes Weib und ein halb Dutzend Kinder. Zwar gehörten ihm
noch ein Paar rüstige, gesunde Arme; aber sie waren nicht hinreichend,
ihn und die Seinigen zu ernähren. Es schnitt ihm durchs Herz, wenn
die jungen Raben nach Brot schrieen und er nichts hatte, ihren quälenden
Hunger zu stillen. „Mit hundert Talern," sprach er zu dem kummer¬
vollen Weibe, „wäre uns geholfen, unsern zerfallenen Haushalt wieder
anzurichten und fern von dem streitsüchtigen Nachbar ein neues Eigen¬