Der König war in die Schulstube getreten; er musterte alles genau,
Bänke, Tische, Geräte, Bücher, dann ließ er sich die Listen geben, sah
die Schreibhefte nach und prüfte einige Zensuren. — „Was bringt Er
denn den Jungens bei?" — „Lesen, Schreiben, Rechnen, die Heilige
Schrift, etliche Kenntnisse in der Geographie und Naturgeschichte." —
„Gut, weiter ist nichts nötig. Nun leg Er mal los!"
Es bedurfte nicht großer Mühe, die Jungen herbeizurufen. Bald
füllte sich die Schulstube mit Schülern. Sie waren alle gekommen, wie
sie gingen und standen, einige mit Schürzen, wenige mit Jacken angetan,
die meisten in Hemdärmeln. Alle sahen neugierig und eifrig auf den
König, der sich auf einen Stuhl niedergelassen hatte und lächelnd die
wohlgenährten, meist strammen Burschen betrachtete. Hinter dem Könige
standen die beiden Offiziere. Staunend gafften die Jungen die Uniform
an, und leises Zittern überfiel sie denn doch.
Wendroth war in ziemlich großer Unruhe. „Worin befehlen Ma¬
jestät, daß ich examinieren soll?" fragte er. „Worin Er will, notu bono,
das Nützliche zuerst." „Also dann? Biblische Geschichte?" „Gut," sagte
der König. Das Examen ging vor sich, die Jungen bestanden gut.
Dann folgte das Lesen. Auch hier waren die Schüler ordentlich auf
dem Posten. Beifällig nickte der König; Wendroth wurde wieder mutig.
„Nun die Hauptsache fürs Leben," sagte der König, „Rechnen! Ich
werde mal die Aufgabe erteilen." Die Tafeln waren schon in den Händen
der Jungen, und diese standen, die Griffel bereit haltend, die Augen fest
auf den König gerichtet, wie ein zum Angriff fertiges Bataillon. „Wenn
ein Mensch," begann der König, „dreihundert fünfundsechzig Tage lang
— jeden Tag vier Taler verdient, wieviel macht das am Ende des
Jahres — also nach dreihundert fünfundsechzig Tagen — wie wollt ihr
das finden — durch welche Spezies?"
„Durch die Multiplikation," sagte eine Stimme. „Recht so!" rief
der König. „Das ist meine liebste Spezies. Rechnet das also aus, und
wenn ihr das ausgerechnet habt, dann zieht von der Summe zweihundert
vierzig — schreibt's auf — zweihundert vierzig ab, und dann will ich
wissen, was bleibt. Vorwärts."
Wendroth fürchtete, daß feine Jungen schlecht bestehen würden. So
leicht die Aufgabe war, so sehr er auch die vier Spezies eingeübt hatte,
die Anwesenheit des Königs machte ängstlich. Tiefe Stille trat ein, nur
die Griffel quietschten auf den Tafeln, Wendroth lehnte an einem Tische,
die Jungen rechneten, ohne zum Ziele zu kommen, sie waren eben ängst¬
lich, der König beobachtete genau.
Da rief eine helle Stimme: „Ich bin fertig." Wendroth atmete
auf. Wer war es? Ha, der kleine Jochen Müller hielt die Tafel empor.
„Na mal heraus," lachte der König. „Wie ist das nun? Was kommt
heraus?" „Ich multipliziere dreihundert fünfundsechzig mit vier; macht