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2. Ich muß hinaus, daß ich sie leite!"
„Gehst du ins offne Wasser vor,
So legt dein Boot sich auf die Seite
And richtet nimmer sich empor."
3. „Allein ich sinke nicht vergebens,
Wenn sie mein letzter Ruf belehrt;
Ein ganzes Schiff voll jungen Lebens
Ist wohl ein altes Leben wert.
4. Gib mir das Sprachrohr! Schifflein, eile!
Es ist die letzte, höchste Not!" —
Vor fliegendem Sturme gleich dem Pfeile
Hin durch die Scheren eilt das Boot.
5. Jetzt schießt es aus dem Klippenrande.
„Links müßt ihr steuern!" hallt ein Schrei.
Kieloben treibt das Boot zu Lande,
Und sicher fährt die Brigg vorbei.
60. Oie Koten 6e5 locles.
Brüder Grimm.
Vor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der großen
Landstraße; da sprang ihm plötzlich ein unbekannter Mann entgegen
und rief- „Halt! keinen Schritt weiter!“ „Was?“ sprach der Riese,
„du Wicht, den ich zwischen den Fingern zerdrücken kann, du
willst mir den Weg vertreten? Wer bist du, der du so keck reden
darfst?“ „Ich bin der Tod,“ erwiderte der andere, „mir widersteht
niemand, und auch du mußt meinen Befehlen gehorchen.“ Der
Riese aber weigerte sich und fing an, mit dem Tode zu ringen.
Es war ein langer, heftiger Kampf; zuletzt aber behielt der Riese
die Oberhand und schlug den Tod mit seiner Faust nieder, daß er
neben einem Steine zusammensank. Der Riese ging seiner Wege,
und der Tod lag da besiegt und war so kraftlos, daß er sich nicht
wieder erheben konnte. „Was soll daraus werden,“ sprach er, „wenn
ich da in der Ecke liegen bleibe? Es stirbt niemand mehr auf
Erden, und sie wird so angefüllt werden, daß sie nicht mehr Platz