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Zur Erweiterung: Das Zeitalter Ludwigs XIV.
„Wenn Österreich," meinte Prinz Eugen, „am Rande des Abgrunds stünde
und könnte mit 50 000 Gulden oder noch weniger gerettet werden, man
brächte das Geld nicht zusammen."
4. In noch höherem Grade war Frankreich erschöpft: es vermißte
die Geldkräfte und die geistige Regsamkeit der Hugenotten.
Schon dachte der Neichsfeldherr daran, mit seinen schwäbischen und
fränkischen Kreistruppen in Frankreich einzufallen, da kam in dem Oranier-
1697 schlösse bei dem Dorfe Rijswijk der Friede zustande. Lothringen, das
die Franzosen widerrechtlich besetzt hatten, wurde seinem Herzog zurück-
gegeben; aber Strasburg blieb französisch, so nachdrücklich auch der Kur-
fürst von Brandenburg und der Markgraf von Baden darauf drangen,
daß diese „Zitadelle von ganz Deutschland" wieder ans Reich falle.
9. Der Spanische Erbfolgekrieg 1701—1714.
1. Der Spanische Erbfolgekrieg war der größte Erbstreit, von dem
die Geschichte weiß. Die von Wilhelm III. geleiteten „Seemächte" (Eng¬
land und Holland) wollten das spanische Reich mit seinen Nebenländern:
den Niederlanden, Mailand, Neapel und Sizilien, ferner den Kolonien
in Amerika und Indien, weder an Ludwig XIV. noch an den Kaiser
kommen lassen, damit das „europäische Gleichgewicht" zwischen beiden Groß-
mächten nicht gestört werde. Karl II. und das spanische Volk hätten am
liebsten den nächstberechtigten Erben auf dem Thron gesehen: den sieben-
jährigen Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern, Leopolds Enkel aus
seiner ersten Ehe mit Karls II. Schwester. Aber der Prinz starb vor dem
König von Spanien. Nun bestimmte Leopold I. seinen zweiten Sohn,
Ludwig XIV. seinen zweiten Enkel, Philipp von Anjou, zum König von
Spanien; jeder der beiden Monarchen wollte eine jüngere Linie seines
Hauses auf dem spanischen Throne sehen.
2. Beide Gegner hatten sich von langer Hand auf den Krieg vor-
bereitet; das Testament Karls II. fand dabei so wenig Beachtung wie der
Verzicht auf die spanische Erbfolge, den Ludwigs Gemahlin bei ihrer
Vermählung ausgesprochen hatte. Ludwig XIV. schloß ein Bündnis mit
dem Kurfürsten von Bayern, dem Vater des verstorbenen Thronerben,
und dessen Bruder, dem Kurfürsten von Köln. Damit nicht auch der
Kurfürst von Brandenburg auf die französische Seite trete, gewährte der
Kaiser nach langem Bedenken Friedrich III. die Anerkennung der Königs-
würde, die er sich beilegen wollte. Acht Jahre zuvor hatte er die Schaffung
einer neunten Kurwürde für das Haus Braunschweig-Lüneburg (Kur-
Hannover) genehmigt und sich dadurch in dem neuen „Reichs-Erzpanner-
Herrn", der nach Königin Annas Tod König von England werden sollte,
einen weitern Bundesgenossen gesichert. Ludwig XIV. aber sprach nach