Full text: [Teil 4 = 5. - 6. Schulj] (Teil 4 = 5. - 6. Schulj)

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Ein Bild, ein wirkliches Bild! Dargestellt in fein empfundenen 
und auserlesenen Farben, in schönem Ebenmaße der Flächen und 
klassischer Linienführung sowohl der Konturen der Wolkenberge als 
auch der Zeichnung von Strand, Meer und Schissen. 
II. Sturm. 
Von der See her rollt eine Woge nach der anderen mit gesträubtem 
Haar heran, erhebt sich zornig und bricht, Schaum und Wasser weit 
das Ufer hinauf werfend, in sich zusammen. Die Luft ist von unab¬ 
lässigem, donnerndem Brausen erfüllt, und der Wind pfeift seine 
wildesten Melodien. Zu sehen ist auf der See weiter nichts als Wogen¬ 
reihen, die aus der dicken Luft auftauchen und am Ufer branden. Oben 
im Bootsschuppen steht das Rettungsboot auf seinem Wagen zur Aus¬ 
fahrt bereit. Der Führer ist ins Dorf gegangen, die Pferde zu holen. 
Oben auf dem Damm stehen Fischerfrauen und sehen, in ihre Mäntel 
gewickelt und sich gegen den Sturm stemmend, stumm und besorgt ins 
Weite. Daß draußen vor der steinigen Platte ein Schiff sitzt, ist 
gewiß, aber es ist ungewiß, was für ein Schiff es sei. 
Da erklingt vom Damme herab Geschrei. Das Wetter ist un¬ 
erwartet sichtig geworden. Die Wolken sind auseinandergerissen, und 
die Sonne schaut mit schnellem Blick über das Wasser, so scharf und 
neugierig, als liege ihr daran, vor ihrem Untergange noch zu er¬ 
fahren, welches Unheil man da unten hinter ihrem Rücken angerichtet 
habe. Dunst und Dampf treten auseinander, und da liegt auf der 
steinigen Platte inmitten von weißem Schaum ein Schiff mit flattern¬ 
dem Segel. Oder ist es eine Notflagge? In dem wechselnden Licht 
von Sonnenschein und Schatten sieht es aus, als wenn das Schiff 
sich bewege und um Hilfe rufe. Die Fischer halten die Hände über 
die Augen und schauen unter ihren struppigen Augenbrauen hinaus 
oder putzen die Gläser ihrer Fernrohre. Aber ehe sie noch darüber 
einig, ob das Schiff ein Fischerboot oder ein Memeler Lastschiff, ver¬ 
schwindet das Bild, und Wind und Meer singen, singen ohne Illu¬ 
stration ihre alte Melodie weiter . . . Jetzt steigt die Flagge der 
Station, das rote Kreuz auf weißem Grunde, am Signalmast empor ... 
Im Nu ändert sich das Bild. Zahlreiche Fäuste fassen zu, ziehen 
den Bootswagen aus dem Schuppen und befördern ihn mit einer 
Schnelligkeit und Leichtigkeit hinab an den Strand, als wenn es 
ein Jagdwagen wäre. Und die Zuschauer folgen so weit, als sie vor 
dem Wasser einigermaßen sicher sind. 
Wie hoch die Meereswellen sind und welche Kraft in ihnen ver¬ 
borgen ist, das kann man nur wahrnehmen, wenn man sich auf ihnen 
befindet, oder auch, wenn man unten am Strande dicht vor der Brau-
	        
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