49
Straße hinab. In der Eile hatte er jedoch das Seil mit beiden Enden
festgeschlungen und blieb nun, da er nur die Hälfte der Seillänge aus¬
nutzen konnte, bei dem dritten Stockwerke in freier Luft hängen. So¬
fort wurde er von den auf der Straße stehenden Menschenmassen und
Feuerwehrleuten bemerkt. Die Hilferufe der Menge übertönte das
Pfeifensignal: „Menschenleben in Gefahr!" und in wenigen Sekunden
war, gerade unter dem in der Luft Schwebenden, das Sprungtuch
ausgespannt. Es war aber auch die höchste Zeit; denn des Brand¬
meisters Kleidung hatte Feuer gefangen und begann zu brennen, und
seine Kräfte waren zu Ende. Sobald daher von unten der Zuruf
ertönte, er solle herabspringen, ließ er los und fiel auf das Tuch.
Er war in Sicherheit. Zwar brach er sich dabei einen Arm, hatte
in den brennenden Bodenräumen und in der schwindelnden Höhe Todes¬
angst ausgestanden und trug Brandwunden im Gesicht davon, aber
sein Leben war gerettet.
3. Wo aber war der Feuerwehrmann Beyer? Er war nicht zum
Dach zurückgekehrt, hatte seinen Kameraden jedoch auch kein Notzeichen
gegeben. Die auf dem Dache stehenden Feuerwehrleute glaubten ihn
jetzt auch in Lebensgefahr und bemühten sich, ihn an der Rettungs¬
leine aus dem immer stärker in Brand geratenden Boden zurück¬
zuziehen. Aber vergeblich. Als endlich ein Feuerwehrmann, aus¬
gerüstet mit Rauchhelm und Schlauchleitung, vordrang, fand er den
Braven, aber bereits tot. Auch Beyer war, wie sein Brandmeister,
hinab in den zweiten Bodenraum gestürzt, war aber durch Verletzungen
und die Wirkungen des Rauches bewußtlos geworden. Da sich die
Rettungsleine bei feinem Absturze verwickelt hatte, konnte er nicht
zurückgezogen werden. Um seinen Vorgesetzten zu retten, hatte der
Tapfere sein Leben gewagt und leider dabei verloren. Ehre seinem
Andenken!
Arno Fuchs.
49. Zwischen Himmel und Erde.
1. Zwischen Himmel und Erde ist des Schieferdeckers Reich. Tief
unten das lärmende Gewühl der Wanderer der Erde, hoch oben die
Wanderer des Himmels, die stillen Wolken in ihrem großen Gang.
Monde, Jahre, Jahrzehnte lang hat es keine Bewohner als der
krächzenden Dohlen unruhig flatternd Volk.
2. Aber eines Tages öffnet sich in der Mitte der Turmdachhöhe
die enge Ausfahrtür; unsichtbare Hände schieben zwei Rüststangen
heraus. Dem Zuschauer von unten gemahnt’s, sie wollen eine Brücke
von Strohhalmen in den Himmel bauen. Die Dohlen haben sich
Kappcy u. Koch, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. IV. 4