3. Tropfen, Tropfen in dem Haar,
fällt auf unsre Liese.
„Wachse, Lieschen, übers Jahr
bist du wie ein Riese!“
Im Sommergarten. 1906. Carl Ferdinands.
73. Gewittersturm.
1. Nachmittags war keine Schule. Es war ja viel zu heiß
dazu! Und die Kinder liefen barfuß, und die Jungen hatten
ihre Jacke ausgezogen, und alle machten es sich so bequem,
wie es nur eben ging. Sonst wär’s auch nicht zum Aus¬
halten gewesen, so heiß war es.
Und als die Kaffeezeit vorüber, war es so drückend, daß
man kaum atmen konnte. Kein Blatt am Baume rührte sich,
und in den Stuben waren alle Fenster offen; doch — es
kam nur noch mehr Hitze herein.
2. „Das gibt noch ein Unwetter!“ sagte die Mutter und sah
nach dem Himmel. Weit weg war eine lange, schwarze
Wolke heraufgestiegen. So langsam kam sie herauf, daß
niemand etwas davon merkte, und wenn man sie auch ein
paar Minuten lang genau ansah.
Mit einem Male, als noch kein Mensch an so etwas dachte,
kam ein solcher Windstoß, daß die offenen Fenster gegen
die Wand schlugen und beinahe alle zerbrochen wären, und
der Staub flog bis zum Himmel und als eine dicke Wolke
in die offenen Fenster. Rasch sprang die Mutter auf und
wollte das Fenster schließen; aber sie konnte es nicht halten.
Der eine Flügel schlug noch einmal gegen die Mauer, und
klirrend fiel die große Scheibe in tausend Stücken in den
Garten. Und sicher wären noch ein paar Blumentöpfe nach¬
gefolgt, wenn nicht die Fensterbank flink abgeräumt
worden wäre.
3. Und dann schüttelte der Wind die Büsche im Garten
und die Bäume. Ein Blitz fuhr vom Himmel, und der Don¬
ner krachte gleich hinterher, und ein so dicker Regenschauer
klatschte gegen die Scheiben, daß der ganze Fußboden naß
regnete. Da lief Kalli, der älteste, in den Keller und holte
Iütti ng u. Weber, Lesebuch für Mittelschulen. Pr. Sa, I. 6