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mit trägem Schwanzwedeln auf der andern Seite zum gebührenden Aus¬
druck gelangte.
3. Gottfried konnte es nachmittags kaum erwarten, bis die Schule zu
Ende war. Dann schoß er im schnellsten Laufe nach Hause, schüttete seine
zwei Tassen Milch rasch hinunter, kaute hastig an seiner Pflaumenmus-
Schnitte und bestürmte Großmutter meist schon vor der Zeit, mit ihm
nach Hause zu gehen; denn allein durfte er nicht fort. Kaum waren sie
beide in der neuen Gasse angelangt, so bat er, vorausrennen zu dürfen,
und Großmutter erlaubte es viel zu gern. Heidi! wie ging's da in sau¬
sendem Galopp die Gasse entlang, durch die Hausflur hindurch, zuerst
zu Freund Lnurps hinab, der bereits auf eine Begrüßung Gottfrieds mit
Erheben und lebhaftestem Schweifwedeln antwortete. Sodann ging es zu
den drei Rosenferkeln, denen natürlich die kleinen Rüssel mit einem Stroh¬
halm gekitzelt werden mußten, worauf sie mit halb freudigem, halb ent¬
rüstetem Gequieke antworteten.
Weiter ging's durch die Heckenlücke zum nachbarlichen Hühnerhof, wo
mit den kärglichen Überresten der Abendstulle noch eitel Freude erregt
wurde. Nunmehr schlenderte Friede! durch den länglichen Garten, lugte
durchs Laubenloch nach den Kaninchen, die freilich nur selten frei herum¬
laufen durften. Das Ende der abendlichen Inspektionsreise war dann
der stolze Rundgang auf der Mauer an der Roßweide entlang bis zum
Wasserturm, wie Friede! den Eckpfeiler getauft hatte.
Waren die Fohlen nicht da, unternahm Gottfried auch einen Streifzug
auf die weite Wiese und pflückte einen Strauß von Hahnenfuß, Hirten¬
täschchen, Schafgarbe und Wegerich, ungefähr die einzigen Blumen, die
der Gefräßigkeit der Fohlen entgingen. Den anspruchslosen Strauß ver¬
wandte Gottfried bald als Bestechungsmittel, d. h. er brachte ihn der Gro߬
mutter hinauf, um ihr noch ein Viertelftündchen Gartenzeit abzubetteln,
bald als Tauschmittel, indem er ihn mit einigen Kratzfüßen zu Fräulein
Wehmeyer, einer Hausgenossin, trug, die nicht umhin konnte, den auf¬
merksamen Blumenspender mit einem Stück Schokolade oder gar mit köst¬
licher Quittenmarmelade zu belohnen. So machten sich die Roßweiden¬
sträuße ganz gut bezahlt.
4. Spätestens um acht Vtfyx wurde Gottfried von der Großmutter
unwiderruflich heraufbefohlen. Da galt es auch gehorchen; denn die alte
Frau hielt sehr auf Pünktlichkeit und Gehorsam.
Oben in dem behaglichen Wohnzimmer liebte es Großmutter jedoch,
noch ein Dämmerstündchen zu halten, ehe die hochbetagte, aber immer
blitzsaubere Rüböllampe, die Großmutter stets selber putzte, angebrannt
wurde.
Zuerst fiel es dem lebhaften Gottfried recht schwer, so ruhig in des
seligen Großvaters breitlehnigem Stuhl zu sitzen und zuzusehen, wie der