Full text: Viertes, fünftes und sechstes Schuljahr (Teil 2)

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mit trägem Schwanzwedeln auf der andern Seite zum gebührenden Aus¬ 
druck gelangte. 
3. Gottfried konnte es nachmittags kaum erwarten, bis die Schule zu 
Ende war. Dann schoß er im schnellsten Laufe nach Hause, schüttete seine 
zwei Tassen Milch rasch hinunter, kaute hastig an seiner Pflaumenmus- 
Schnitte und bestürmte Großmutter meist schon vor der Zeit, mit ihm 
nach Hause zu gehen; denn allein durfte er nicht fort. Kaum waren sie 
beide in der neuen Gasse angelangt, so bat er, vorausrennen zu dürfen, 
und Großmutter erlaubte es viel zu gern. Heidi! wie ging's da in sau¬ 
sendem Galopp die Gasse entlang, durch die Hausflur hindurch, zuerst 
zu Freund Lnurps hinab, der bereits auf eine Begrüßung Gottfrieds mit 
Erheben und lebhaftestem Schweifwedeln antwortete. Sodann ging es zu 
den drei Rosenferkeln, denen natürlich die kleinen Rüssel mit einem Stroh¬ 
halm gekitzelt werden mußten, worauf sie mit halb freudigem, halb ent¬ 
rüstetem Gequieke antworteten. 
Weiter ging's durch die Heckenlücke zum nachbarlichen Hühnerhof, wo 
mit den kärglichen Überresten der Abendstulle noch eitel Freude erregt 
wurde. Nunmehr schlenderte Friede! durch den länglichen Garten, lugte 
durchs Laubenloch nach den Kaninchen, die freilich nur selten frei herum¬ 
laufen durften. Das Ende der abendlichen Inspektionsreise war dann 
der stolze Rundgang auf der Mauer an der Roßweide entlang bis zum 
Wasserturm, wie Friede! den Eckpfeiler getauft hatte. 
Waren die Fohlen nicht da, unternahm Gottfried auch einen Streifzug 
auf die weite Wiese und pflückte einen Strauß von Hahnenfuß, Hirten¬ 
täschchen, Schafgarbe und Wegerich, ungefähr die einzigen Blumen, die 
der Gefräßigkeit der Fohlen entgingen. Den anspruchslosen Strauß ver¬ 
wandte Gottfried bald als Bestechungsmittel, d. h. er brachte ihn der Gro߬ 
mutter hinauf, um ihr noch ein Viertelftündchen Gartenzeit abzubetteln, 
bald als Tauschmittel, indem er ihn mit einigen Kratzfüßen zu Fräulein 
Wehmeyer, einer Hausgenossin, trug, die nicht umhin konnte, den auf¬ 
merksamen Blumenspender mit einem Stück Schokolade oder gar mit köst¬ 
licher Quittenmarmelade zu belohnen. So machten sich die Roßweiden¬ 
sträuße ganz gut bezahlt. 
4. Spätestens um acht Vtfyx wurde Gottfried von der Großmutter 
unwiderruflich heraufbefohlen. Da galt es auch gehorchen; denn die alte 
Frau hielt sehr auf Pünktlichkeit und Gehorsam. 
Oben in dem behaglichen Wohnzimmer liebte es Großmutter jedoch, 
noch ein Dämmerstündchen zu halten, ehe die hochbetagte, aber immer 
blitzsaubere Rüböllampe, die Großmutter stets selber putzte, angebrannt 
wurde. 
Zuerst fiel es dem lebhaften Gottfried recht schwer, so ruhig in des 
seligen Großvaters breitlehnigem Stuhl zu sitzen und zuzusehen, wie der
	        
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