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142. Klein Roland* Von £udwig Ubland.
Gedichte. Kritische Ausgabe von Erich Schmidt u. Julius Hart mann.
1. Band. Stuttgart 1898. 8. 258.
1. Frau Berta saß in der Felsenkluft,
sie klagt' ihr bittres Los.
Klein Roland spielt' in freier Luft,
des Klage war nicht groß.
2. „O König Karl, mein Bruder hehr!
O daß ich floh von dir!
Um Liebe ließ ich Pracht und Ehr',
nun zürnst du schrecklich mir.
3. O Milon, mein Gemahl so süß!
Die Flut verschlang mir dich.
Die ich um Liebe alles ließ,
nun läßt die Liebe mich.
4. Klein Roland, du mein teures Kind!
Run Ehr' und Liebe mir!
Klein Roland, komm herein geschwind!
Mein Trost kommt all von dir.
5. Klein Roland, geh zur Stadt hinab,
zu bitten um Speis' und Trank,
und wer dir gibt eine kleine Gab',
dem wünsche Gottes Dank!"
6. Der König Karl zur Tafel saß
im goldnen Rittersaal.
Die Diener liefen ohn' Unterlaß
mit Schüssel und Pokal.
7. Von Flöten, Saitenspiel, Gesang
ward jedes Herz erfreut,
doch reichte nicht der helle Klang
zu Bertas Einsamkeit.
8. Und draußen in des Hofes Kreis,
da saßen der Bettler viel,
die labten sich an Trank und Speis'
mehr als am Saitenspiel.