Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

schönsten Punkt an der Müritz bildet das Steinhorn, eine bewaldete 
Landzunge bei Ludorf, von wo man die beste Fernsicht über den See 
hat. Die westlichen und östlichen Ufer der Müritz bilden einen auf- 
fallenden Gegensatz. Jene werden von den schönsten und fruchtbarsten 
Ländereien begrenzt, denen eben nichts als schöne Laubwaldungen fehlen. 
Hier baut man den herrlichen Weizen, der in London und Hamburg 
unter dem Namen „Warener Weizen" so sehr gesucht ist. Dagegen ist 
die östliche Seite mit ihren flachen Ufern, düsteren Tannenforsten, 
mageren Bruchweiden und den dahinter liegenden hellen Sandäckern 
einförmig und nahezu langweilig. Damit aber soll die Ostseite der 
Müritz keineswegs verachtet werden. Hat sie es nicht scheffelweis', hat 
sie es löffelweis' und noch ein gutes Teil darüber. Hat sie keinen gold¬ 
gelben Weizen, keine duftige Tafelbutter, so hat sie dafür kostbares 
Tannenholz, kräftigen Roggen und besonders herrliche Kartoffeln und 
zugleich mit der Westseite zusammen diejenige Ernte, die zu allen Jahres¬ 
zeiten die Müritz allen ihren Umwohnern bietet — kostbare Fische. 
Wenn auch der Fischreichtum der Müritz in der Neuzeit bedeutend 
abgenommen hat, so haben die Bewohner der etwa dreißig umliegenden 
Dörfer und der beiden Städte Röbel und Waren doch noch lange 
keine Ursache, sich den Appetit nach Fischen vergehen zu lassen. Fische 
und Fischerei stehen bei ihnen in hohem Ansehen. Die Fischer in Waren 
bildeten früher eine Zunft, und bei Aufnahme eines Jungmeisters ging 
es hoch her. Bei dem Festfischzuge, den der junge Meister leitete, und 
bei dem darauf folgenden Festessen wurden Böller gelöst und bei dem 
letzteren Lebehochs gebracht, daß es über die halbe Stadt schallte. 
Von Eldenburg, am Ausflusse der Elde aus der Müritz, werden 
Tausende von Fischen in bootähnlichen, mit Luftlöchern versehenen 
Kasten auf der Havel und Spree nach Berlin gebracht. Die Müritz 
bildet nämlich eine Art Knotenpunkt für die Binnenschiffahrt. Man 
kann auch vermittelst der Elde, welche den See etwa von Süden nach 
Norden durchfließt, bei Dömitz in die Elbe und von da nach Hamburg 
gelangen. So steht die Müritz mit den beiden größten Städten Nord¬ 
deutschlands in Verbindung. Auch in den schönen Schweriner See 
kommt man mit Hilfe der Elde, des Störkanals und der Stör von der 
Müritz aus. Leider haben die Eisenbahnen der Binnenschiffahrt großen 
Schaden getan. Dahingegen steht die Holzflößerei von der Müritz 
nach Schwerin oder Berlin noch immer in alter Blüte. 
Die Müritz ist also eine gottgesegnete Gegend, von deren Umwohnern 
das Wort gilt: „Sie ernten, da sie nicht gesät haben." Wir wollen 
sie nicht darum beneiden, wenn uns auch nach ihren Brachsen, Schleien 
und Aalen ein- oder ein paarmal der Mund wässern sollte. Wir haben 
ja noch die vielen Seen und Flüsse, die uns sicher bedenken werden; 
aber wo nichts anderes ist, da bleibt „Rotauge" auch ein guter Fisch.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.