Full text: (Zweites und drittes Schuljahr) (Teil 1 für Kl. 8 u. 7)

du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?" „Meinen Ring 
von dem Finger," antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm 
den Ring, fing wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte 
bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der 
König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch 
immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine 
noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: „Die mußt 
du in dieser Nacht verspinnen; gelingt dir's aber, so sollst du meine 
Gemahlin werden." „Wenn's auch eine Müllerstochter ist," dachte 
er, „eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht." Als 
das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder 
und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das 
Stroh spinne?" „Ich habe nichts mehr, das ich geben könnte," ant¬ 
wortete das Mädchen. „So versprich mir, wenn du Königin wirst, 
dein erstes Kind." „Wer weiß, wie das noch geht," dachte die 
Müllerstochter und wußte sich auch in der Not nicht anders zu 
helfen; sie versprach also dem Männchen, was es verlangte, und 
das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und 
als am Morgen der König kam und alles fand, wie er gewünscht 
hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter 
ward eine Königin. 
Über ein Jahr bekam sie ein schönes Kind und dachte gar¬ 
nicht mehr an das Männchen; da trat es plötzlich in ihre Kammer 
und sprach: „Nun gib mir, was du versprochen hast." Die Königin 
erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs 
an, wenn er ihr das Kind lassen wollte; aber das Männchen sprach: 
„Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt." 
Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das 
Männchen Mitleiden mit ihr hatte. „Drei Tage will ich dir Zeit 
lassen," sprach es, „wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so 
sollst du dein Kind behalten." 
Nun besann sich die Königin die ganze Nacht über auf alle 
Namen, die sie jemals gehört hatte und schickte einen Boten über 
Land, der sollte sich erkundigen weit und breit, was es sonst noch 
für Namen gäbe. Als am anderen Tage das Männchen kam, fing
	        
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