Full text: (Zweites und drittes Schuljahr) (Teil 1 für Kl. 8 u. 7)

Spaziergängen trug der König gewöhnlich einen schwarzen Hut und 
Rock und eine weiße Weste. 
Damit der hohe Herr nicht belästigt würde, verboten die Mütter 
ihren Bindern, sich zu nah an ihn heranzudrängen, obgleich man wußte, 
daß König Wilhelm ein großer Kinderfreund war. 
Kurz vor dem Kriege, der 1870 zwischen Deutschland und Frank¬ 
reich ausbrach, weilte der König auch in Ems. Als er eines Tages 
spazieren ging, eilte ein kleines Büblein auf den alten Herrn zu, um¬ 
faßte seine Knie und rief: „Bist du wirklich der König Wilhelm?" 
„Ja, ich denke, kleiner Mann," lautete die Antwort. „Wie heißt du 
denn, und was willst du werden?" „Ich heiße auch Wilhelm und will 
Soldat werden," rief der Kleine freudestrahlend; „aber weißt du, König 
Wilhelm, einer von denen mit den roten Aufschlägen und den weißen 
Federbüschen." 
„Gott segne dich, mein Junge!" erwiderte der König, „und wenn 
du einmal groß sein wirst, so sage meinem Sohne Fritz, du wolltest 
unter die Soldaten mit den roten Ausschlägen und den weißen Feder¬ 
büschen; der alte König Wilhelm habe diPs erlaubt." 
Wer aber war vergnügter als der kleine Knabe, der fröhlich davon¬ 
sprang und seiner Mutter erzählte, was König Wilhelm ihm gesagt hatte! 
240. Oie üeblingsblume Kaiser Wilhelms. 
Ludwig Marquardt. 
Als die Königin Luise vor dem Eroberer Napoleon von Königs¬ 
berg nach Memel flüchten mußte, brach an dem Wagen, in dem 
sie mit dem zwölfjährigen Kronprinzen und dem zehnjährigen Prinzen 
Wilhelm fuhr, ein Rad. Da sich der Unfall auf offener Landstraße, 
fern von einer menschlichen Wohnung zutrug, so mußten die Flüch¬ 
tigen lange warten, bis Hilfe herbeigeholt war. Diese Zeit suchten 
sich die Prinzen zu verkürzen, indem sie in dem nahen Roggen¬ 
felde Kornblumen pflückten. Sie brachten sie ihrer Mutter, und 
diese wand daraus feuchten Auges einen Kranz. Der Prinz Wilhelm 
suchte sie durch Liebkosungen zu trösten, und, unter Tränen lächelnd, 
setzte sie ihm den blauen Kranz aufs Haupt. Dieser Vorgang 
blieb dem Kaiser Wilhelm zeitlebens unvergeßlich. Jede Kornblume, 
die er sah, erinnerte ihn an die Tränen der treuesten aller Mütter, 
und er liebte sie deshalb wie keine andere Blume.
	        
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