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In Ottos Augen aber stand mit leuchtenden Buchstaben geschrieben:
„Geben ist seliger als Nehmen!“
Von diesem allen war ich stummer Augenzeuge. Das kleine Vor¬
kommnis rührte mich tief; ich sagte nichts, aber der kleine Blondkopf
hatte mir einen Stein vom Herzen genommen. Ich werde den kleinen
Burschen wohl kaum wiedersehen; ich habe ihn aber in mein Herz ge¬
schlossen, und da wird er nicht vergessen werden.
Heinrich Sohnrey. (nie Landjugend.)
24. Der stille Hans.
1. Ihr hieß Johannes Volquartsen, und das war ein langer Name
für eine kurze Person. Zehn Jahr war er im Februar geworden, und
die ältere Schwester neckte ihn, daß er mehr in die Breite als in die
Länge ging. Aber in der Schule ärgerte es ihn wenig, denn er hatte
Muskeln; er konnte die Größten in seiner Klasse unterkriegen und zum
Knien bringen, und da er friedfertig und dazu seit zwei Jahren Erster
war, so hatten seine Kameraden Achtung vor ihm. Daß er aber Erster
geworden, hatte seine eigene Bewandtnis. Johannes Volquartsen konnte
nämlich vieles vertragen, ohne sich unbehaglich zu fühlen; aber eins
war ihm zuwider, und das war Lob. Lob machte ihn verlegen, linkisch,
rot, kurzum ungemütlich. In den ersten Schuljahren hatte er diese
Last oft ertragen müssen; denn ihm wurde alles leicht. Seit er aber
Klassenerster war und nicht mehr höher kommen konnte, hieß es fort¬
während: „Wenn du deinen Platz behaupten willst, mußt du dich tüch¬
tig zusammennehmen.“ Das gefiel ihm besser. Im Hause freilich, bei
Papa und Mama, verwöhnte ihn niemand. Sie hielten es für ganz selbst¬
verständlich, daß ihr Hans die besten Zeugnisse bekam. Die Mutter
sagte einfach: „Wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern“,
und der Vater wies mit dem Finger auf die „Gut“ und „Genügend“ hin
und bemerkte: „Es ist kein schlechtes Zeugnis, aber es könnte noch
besser sein; ,genügend4 darf nächstes Mal nicht wieder vorkommen,
verstanden?“
2. Und heute, an diesem Märznachmittage, saß Herr Volquartsen
mit einer Wolke auf der Stirn hinter seiner Suppenterrine. Eben hatte
es halb vier geschlagen, und Johannes war noch nicht da. „Am Ende
muß er brummen“, sagte die zwölfjährige Anna, halb lachend; „bei uns
sollte neulich auch mal die ganze Klasse nachsitzen, aber Fräulein ließ
sich zuletzt noch erweichen.“