Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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wir näher. Ja, das ist sie, die vielgenannte große Fontäne. Turmhoch 
schleudert sie ihr Wasser in die Luft, und mit lautem Getöse fällt es wieder 
herab. Hunderte von Zuschauern stehen dabei und können sich an dem 
Schauspiel nicht satt sehen. Jetzt treibt ein Windstoß einen Teil des nieder¬ 
sinkenden Wassers als leichten Regen weit über die Ufer des riesigen 
Beckens hinaus, und alles flieht unter Lachen und Scherzen. Dann wieder 
fallen die Strahlen der Sonne in den Wasserstaub hinein und lassen ihn 
wie flüssiges Gold und Millionen Edelsteine auffunkeln. 
3. Wir wenden uns um. Aus der Ferne grüßt die im Sonnenlicht 
leuchtende weiße Vorderseite des Lustschlosses herüber. Langsam gehen 
wir darauf zu. Ein wenig rechts vom Wege, halb versteckt von Busch¬ 
werk, steht eine vorn offene Halle. Darin thront das große Marmorbildnis 
der Kurfürstin Sophie, der Gemahlin Ernst Augusts, des ersten hannover¬ 
schen Kurfürsten. Bald treten die Hecken zurück, und ein ungewöhnlich 
weiträumiger Platz liegt vor uns. Kurzgeschnittener Rasen, der von schma¬ 
len Fußsteigen durchzogen wird, bedeckt ihn. Auf hohen Sockeln stehen 
ringsum alte Sandsteinfiguren. Eiserne Gitter schließen die Hauptseite 
des Platzes ab und gewähren einen Durchblick auf den dahinterliegenden 
Schloßhof mit dem Schlosse. Daneben erhebt sich ein mit Bildsäulen 
geziertes Bauwerk, von dessen Höhe plätschernde Wasserbäche über breite 
Stufen in einen Teich herabstürzen, den Goldfische in großer Menge be¬ 
wohnen. 
Schon an dem reichen Schmucke, der diesen Platz auszeichnet, er¬ 
kennt man, daß er der Haupt- und Festplatz der ganzen Anlage ist. Auch 
sein Name bezeugt es,- er heißt das große Luststück. Hier spielten sich all 
die prunkhaften Gartenfeste ab, die zu Anfang des 18. Jahrhunderts am 
hannoverschen Hofe gebräuchlich waren. Frankreich lieferte die Vorbilder 
dazu; ist doch der große Garten selbst nach französischem Muster hergestellt 
worden. Vornehme Herren in goldgestickten Kleidern, künstliche Perücken 
auf dem Haupte, und Damen in weiten Reifröcken und mit gepuderten 
Haaren stolzierten auf dem Platze und in den Wegen umher. Häufig spielte 
man Theater auf der nahen Sommerbühne. Sie liegt unter freiem Him¬ 
mel; grüne Hecken sind ihre Seitenwände. Oder der ganze Hof saß auf 
der Bühne bei prächtigem Gastmahle. Kinder trugen dann wohl Pasteten 
herbei, aus denen, wenn man sie zerlegte, Vögel herausflogen. Jäger 
mußten sie wieder einfangen. Abends wurden Feuerwerke von nie ge¬ 
sehener Schönheit abgebrannt und der ganze Garten durch bunte Papier¬ 
lämpchen erleuchtet. Märchenhaft schimmerten die Wasserfälle und Spring¬ 
brunnen im Scheine roten oder grünen Bengalfeuers. 
Unwillkürlich träumt man sich in diese Tage zurück, wenn man auf 
dem Platze steht und die Zeugen jener fernen Zeit betrachtet. Heute sieht 
alles anders aus. Jahraus, jahrein sind die Fenster des Schlosses dicht
	        
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