Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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den drei Eschen warten und die Pferde indes grasen lassen; er aber wollte 
mit Frau und Bindern einen anmutigen Fußpfad gehen, obwohl derselbe 
ein wenig um sei. 
Darauf ging er durch das Gebüsch waldein, immer tiefer hinein, 
schaute dahin und dorthin, als ob er suchte, und die Frau glaubte schon, 
ihr Mann habe sich verirrt. Nun erst sagte er ihr und den Kindern, wie 
es ihm bei den reichen Vettern gegangen sei, und wer ihm das Geld ge¬ 
liehen habe, und lobte den Berggeist, vor dem sie sich fürchteten, mit 
Tränen im Auge, indem er ihnen vorstellte, wie glücklich sie jetzt wären 
gegen das Elend vor drei Jahren. 
Darauf ging er allein weiter, die Felsenhöhle zu suchen, konnte aber 
nirgends den Eingang finden, obgleich er gewiß wußte, daß er auf der 
rechten Seite sei, wo er vor drei Jahren hineingegangen war. Er klopfte 
mit einem Steine an den Felsen; er klingelte mit dem Geldsacke; er rief 
den Berggeist, zu kommen und das Seine zu nehmen; aber niemand er¬ 
schien. Da ging er mißmutig zu seiner Frau und den Kindern zurück und 
setzte sich mit ihnen auf den Rasen und wartete. Endlich, da sich niemand 
sehen ließ, beschloß er, noch einmal nach dem Felsen zu gehen, dort noch 
stärker anzupochen und zu rufen, und wenn auch dann niemand käme, das 
Geld am Felsen hinzulegen; da möchte es der Bergherr sich holen. Aber 
indem er seinen Vorsatz seiner Frau kundtat, brauste es in den Wipfeln der 
Bäume; der Wind trieb dürre Grashalme und Laubblätter vor sich her 
und jagte die kräuselnden Staubwolken in dem Wege aus, worüber die 
Kinder sich freuten. 
Unter dem Laube wurde auch ein zusammengerolltes Papierblatt über 
den Weg getrieben, nach welchem die Kinder vergebens haschten. Endlich 
warf der eine Knabe seinen Hut darauf, nahm es auf, und weil es ein 
so weißes Papier war, brachte er's dem Vater. Da war es der Schuld¬ 
schein, unter welchem geschrieben stand: „Zu Dank bezahlt." 
Nun war der Bauer froh und rief aus: „O, wie glücklich bin ich 
jetzt! Mein Wohltäter kennt meine Ehrlichkeit und mein dankbares Herz." 
5. Jetzt wollte er nach Haufe umkehren; aber die Frau ruhte nicht 
eher, bis der Mann zu den reichen, geizigen und hochmütigen Vettern 
fahren ließ, welche sie durch ihren Wohlstand recht zu beschämen gedachte; 
aber als sie hinkamen, waren diese nicht mehr zu finden; sondern entweder 
gestorben oder von ihren Gehöften vertrieben. Hochmut und Unbarm¬ 
herzigkeit kamen bei ihnen vor dem Falle; unser Bauer aber wurde täglich 
wohlhabender und von allen geliebt, die ihn kannten; denn er war arbeit¬ 
sam und fleißig, hals seinen Nächsten gern und führte ein stilles, gottes- 
fürchtiges Leben. Lehuert,
	        
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