Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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Gefahren die Arbeitenden von hüben und drüben sich die Hände schütteln 
konnten, — wie ihr das schon beim Sandtunnel mit Vergnügen tatet. 
4. Der Simplon-Tunnel übertrifft alle frühern Tunnel an Länge, 
und die Kühnheit seiner Ausführung ist bewundernswert. Ungefähr 20 km 
lang — also beinahe die Entfernung von Halberstadt bis Oschersleben — 
brauchte man über 8 Jahre bis zu seiner Fertigstellung. Während die 
bisherigen Tunnel nur aus einem Stollen bestehen, in dem zwei Geleise 
liegen, hat der Simplon-Tunnel zwei Stollen mit je einem Geleise. Der 
zweite Stollen, der beim Bau, wie wir gesehen, der Luftzufuhr, dann auch 
dem Arbeiterverkehr und dem Heranschaffen der Lasten biente, soll erst 
später für den Betrieb ausgebaut werden. Einstweilen wird nur ein Stollen 
benutzt, durch den die Züge mit elektrischer Kraft fahren. Von Vrig (686 m 
über dem Meere) steigt der Tunnel bis zum Scheitelpunkt, der auf etwa 
700 m Höhe, ziemlich genau unter der Grenzscheide zwischen der Schweiz 
und Italien liegt. Denkt euch, daß an diesem Punkt die gewaltige Last 
des über 2000 m hohen Gebirges über dem Tunnel lagert. Nach 500 m 
horizontalen Laufs senkt sich die Bahn bis zum Austritt bei Iselle (634 m). 
Die südöstlich laufende Richtung des Tunnels ist im wesentlichen grad¬ 
linig; seine Steigungen sind, wie ihr euch selbst ausrechnen könnt, ver¬ 
hältnismäßig gering. Daher man auch mit großer Geschwindigkeit hin¬ 
durchfahren kann. Ich möchte euch wohl wünschen, ihr säßet in einen; 
solchen Zuge: der Berg gähnt euch entgegen, sein schwarzer Mund ver¬ 
schlingt euch, durch 20 Kilometer Bergesnacht fliegt der hellerleuchtete Zug, 
und über euch türmt sich immer gewaltiger die Masse des Gebirges. Könnte 
sie auf euch herabstürzen? Doch nein! Da ist alles wohl gefügt und be¬ 
rechnet; die Fahrt so sicher wie über der Erde. Aber so gruselig interessant 
sie auch sein mag, man begrüßt ihr Ende und freut sich des Augenblicks, 
da der Berg uns wieder in die Freiheit entläßt. 
Ich könnte euch von diesem berühmten Bauwerk noch manches er¬ 
zählen, doch fehlt hier der Raum dazu. Nur eins möchte ich noch er¬ 
wähnen : Es waren neben vielen andern tüchtigen Männern in erster Reihe 
deutsche, deutsch-österreichische und deutsch-schweizerische Ingenieure, die 
das Werk erdachten und leiteten. Deutsches Wissen, deutsche Gründ¬ 
lichkeit, deutscher Fleiß wieder einmal an erster Stelle in der Welt — 
nun, wie wär's? Wollt ihr einmal Ähnliches leisten? 
Oswald Körte. 
212. Die Pferde- und Rinderherden der ungarischen Pußta. 
(Gekürzt.) 
1. Der Pußta verdankt der Magyar seinen unvergleichlichen Viehstand, 
voll dem man sich bei uns schwer eine Vorstellung machen kann, sowohl was 
SNcdersächsisches Lesebuch für Mittelschulen. Teil II. 24
	        
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