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nahmen sie bereitwillig auf, besonders lud sie der Kurfürst von Branden¬
burg in seine Staaten ein (§ 22).
Das Streben Friedrich Wilhelms, die beiden evangelischen Kon¬
fessionen, deren Geistliche sich von den Kanzeln gegenseitig verlästerten,
mit einander zu versöhnen, scheiterte an den entschiedenen Abneigung
der Lutheraner. Da verlangte der Kurfürst von allen Geistlichen einen
schriftlichen Revers, daß sie sich aller Anzüglichkeiten gegen einander
enthalten wollten, und bedrohte die Widerspenstigen mit Amtsentsetzung.
Mehrere verloren ihre Stellen, auch Paul Gerhard, der angesehene
evangelische Liederdichter, verließ Berlin (1667)*).
Friedrich Wilhelm, ein Fürst von tief christlichem Glauben, fing keine
seiner Regierungshandlungen ohne Gott an, wie er auch keine ohne Gott
endete. Das neue Testament und die Psalmen begleiteten ihn auf den Feld¬
zügen. In echter Frömmigkeit glich ihm seine Gemahlin Luise Hen¬
riette, Tochter des oben erwähnten Prinzen Heinrich von Dräniert,
die ihm auf feinen Reifen, ja sogar auf seinen Feldzügcn folgte. Eine
treue Mutter der Armen, gründete sie das Waisenhaus Oranienburg.
Von ihrem frommen Sinne zeugen mehrere Lieder („Jesus, meine Zuver¬
sicht", „Ich will von meiner Missethat"). Sie starb schon 1667 zum großen
Schmerze ihres Gemahls. Seine zweite Gemahlin war die holsteinische
Prinzessin Dorothea. In den letzten Jahren seines Lebens litt der Kur¬
fürst an der Gicht, die in Wafferfucht überging. Am 17. April hielt er
eine ergreifende Ansprache an seinen Sohn und starb am 29. April 1688
in christlicher Ergebung mit dem Bekenntnis: „Ich weiß, daß mein Er¬
löser lebt!"
Unter Friedrich Wilhelm hatte der Staat an Umfang und Be¬
völkerung bedeutend zugenommen; das Heer hatte er auf 24 000 Mann
gebracht. Unumschränkt in seiner Herrschermacht hat er dem Hause
Brandenburg eine bedeutende Stellung verschafft' und ist der eigent¬
liche Begründer der preußischen Monarchie. Mit Recht nennt ihn die
Geschichte den großen Kurfürsten.
§ 24 Friedrich III. als Kurfürst von Brandenburg
(1688—1701), als König Friedrich I. (1701—1713).
Aus Friedrich Wilhelm folgte Friedrich III.
Geboren den 11. Juli 1657, von schwächlichem Körper, mäßigen An¬
lagen, erreichte er doch die erforderliche Ausbildung. Wohlwollend und
gutmütig, entbehrte er der nötigen Charakterfestigkeit, wogegen Eitelkeit und
Prachtliebe stark hervortraten.
*) Er starb 1676 zu Lübben im Spreewald.