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Torheiten leuchten." Abends weilt die Dämmerung nirgends länger
als hier zum Plauderstündchen, für das jeder in der Familie, wäre
er auch noch so beschäftigt, gern ein paar Augenblicke erübrigt, und
zu dem die von ihrem Spaziergange zurückkehrenden Freunde ein¬
sprechen. In den Kleidern führen sie noch die frische, freie Feldluft
mit, die das Großmutterstübchen wie ein Hauch aus der alten, guten
Zeit durchweht, da die Großeltern ebenso rüstig mitgingen. Aber das
ist lange her, der Großvater schläft schon viele Jahre draußen im
Schlummergarten vor dem Tore.
Mittags ift's wieder nicht ungemütlich im Giebelstübchen der Gro߬
mutter. Bei der Großmutter schmeckt doch immer alles besser, sagen
die Kinder, obwohl in der elterlichen Küche mit verzeihlicher Eifersucht
behauptet wird, das alte Lieschen — die Köchin der Großmutter —
koche auch nicht anders als mit Wasser. Die Kinder bleiben aber dabei, oben
bei der Großmutter schmeckt es am besten, am allerbesten, versteht sich, das
Übriggebliebene, das hinter den mit grünen Seidenfähnchen verhängten
Glastüren des Schrankes aufgehoben wird. Daher die zauberhafte An¬
ziehungskraft der grünen Türchen auf jeden eintretenden kleinen Gast.
Reichtümer gibt es im Großmutterstübchen nicht; es trifft sich nur
zufällig so, daß dort immer zu haben ist, was eben am dringendsten
gebraucht wird und sonst nirgend zu finden war: ein Faden bunter Seide
oder Zeichengarns, ein passender Knopf aus dem Knopfkästchen, das
richtige „Spiel" Nadeln zu einer besonderen Strickarbeit, vor allen
Dingen Pflästerchen zum Verbinden verletzter Enkelfinger; und die
alleinige Bedingung ist: Bringt mir nur zurück, was ihr nicht mehr
braucht, damit auch ein andermal wieder etwas da ist.
Und nicht nur mit solchen Anliegen kommen die Kinder, sie wissen
recht wohl, daß alles, was ihre jungen Seelen bewegt, hier ein stets
geneigtes Ohr findet. Im Großmutterstübchen ist guter Rat nicht teuer,
im Großmütterstübchen gewinnt man die wirksamste Fürsprache, wenn
der Mut fehlt, selbst die Eltern zu bitten; im Großmutterstübchen wohnt
ein so liebevolles Verständnis für die Freuden und kleinen Leiden der
Kinder, das Großmutterstübchen hat ein Wort der Belehrung für jede
wißbegierige Frage, eine liebreiche Ermahnung für jeden reuigen
kleinen Sünder, einen frommen Kernspruch für jeden Sonntagmorgen,
wenn die Glocken zur Kirche rufen, ein Lächeln für jeden Kinderschmerz,
einen Trost für jeden kindlichen Kummer. Erscheinen ungebetne Gäste
— Eigensinn, Unart, üble Laune, die selbst nicht weiß, was sie will,
so können sie sich darauf verlassen, ihnen wird unverblümt die heilsame
Wahrheit zuteil.
Nur eine Zeit ist, wenn die Kinder nicht kommen sollen: während
-der Mittagsruhe. St! die Großmutter schläft. Die Türe drückt sich