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2. Also hältst seit tausend Jahren
du im Osten deutsche Wacht,
seit Germanen einst gelichtet
unter dir des Urwalds Nacht.
Römerzüge sahst du wandern
von der Adria zum Belt,
und von Dörfern, Städten wachsen
um dich eine neue Welt.
3. Wenn der Donner dich umgrollte,
wenn der Sturm die Flügel schwang,
floh’n zu deinen heil’gen Stätten
unsre Ahnen fromm und bang.
Zauberlieder, Runensprüche
murmelten zu dir empor,
bis aus hohen Klosterhallen
quoll der Mönche lauter Chor.
4. All die Stimmen sind verklungen:
doch ein Schwur ist nicht verhallt,
der von hundert Heldenzungen
dir zu Füßen ist erschallt.
Was gelobt der edle Sänger
mit der Leier und dem Schwert,
tönt noch fort in unserm Herzen:
„Frei soll sein der deutsche Herd!"
5. Herd und Volk ist frei geworden,
herrlicher, als er gedacht,
und aus tausendjähr'gem Schlummer
ist der Kaiser aufgewacht.
Sicher fließt durch deutsche Lande
fern im West der grüne Rhein;
doch im Osten sollst du, Zobten,
Wacht uns an der Oder sein!
6. Und der einst das Reich geschmiedet
mit dem Schwert im Schlachtgebraus,
ruhet nun zu ew'gem Schweigen
sanft in deinem Schatten aus.
Einen Bessern sahst du nimmer;
seit du blickst ins Tal hinab;
drum die schönsten Eichenkränze
leg' ihm auf das Heldengrab!
Oswald Baer.