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die Beeren waren reif und schön und dufteten herrlich, aber sie mußten
sorgsam gesucht werden. In einem sonnigen Winkel standen einige
der rotschimmernden Büsche dicht aneinander, und dann konnte man
wieder vergebens danach ausspähen. Trini spähte in alle Löcher hinein,
kletterte jeden Erdhügel hinauf, zog alle Grasbüsche auseinander, und
wo noch ein rotes Beerlein herausguckte, wurde es schnell eingeheimst.
Trini hörte auch nicht auf zu klettern und zu spähen und zu rupfen,
bis die Dämmerung hereinbrach und aller Tätigkeit ein Ende machte.
Aber dem Trini brauchte das nicht leid zu tun. Es schaute siegreich
auf seinen Korb; denn auch diesmal noch war es ihm gelungen; gegen
seine eigne Erwartung war er gefüllt bis obenan. Es hatte nur noch
Blätter und Stäbchen darauf zu befestigen, denn nicht eine der kostbaren
Beeren durste heraus rollen. Jetzt sauste das Trini wie der Wind den
Berg hinab. Zum Wirtshause hinunterzulaufen, dazu war's zu spät;
aber bis zur Goldäpfelbäuerin konnte es schon noch kommen, die wollte
gewiß diese letzten schönen Beeren noch haben, und dann konnte es
der Großmutter gleich den Gewinn heimbringen. Immer eiliger wurde
sein Schritt. — Still und traurig hinter ihm her kam das Maneli
gegangen. Man konnte wohl sehen, daß es an seinem Korbe nicht
schwer zu tragen hatte, es mußte ein anderer Grund sein, warum es
so langsam und niedergedrückt daherkam.
Die Goldäpfelbäuerin hatte eben einen Verdruß gehabt. Die junge
Magd, die trotzig neben ihr an dem Gemüsebeete stand, hatte ihr alle
jungen Setzlinge verschwemmt; es war ihr zu mühsam vorgekommen,
den zarten Pflänzchen sorgfältig jedem einzelnen mit der Gießkanne
zu trinken zu geben, wie die Bäuerin ihr befohlen hatte. Mit dem großen
Kübel hatte sie den ganzen Wasserguß über das Beet hingeschüttet. In
der Bäuerin kochte der Zorn auf wie heiße Milch, die überlaufen
will, als sie die Zerstörung sah. Da gerade kam das Trini heran-
gelausen. „Guten Abend!" rief es noch außer Atem, „seht die schönen
Beeren; es sind die letzten, wollt Ihr sie?"
„Ich brauche nichts," rief zornig die Bäuerin. „Mach, daß du
fortkommst, ich habe keine Zeit für dich." „Wenn Ihr sie nur ansehen
wolltet, sie würden Euch gefallen, Ihr wolltet sie sicher haben," meinte
das Trini. „Hab' ich dir nicht gesagt, daß ich nichts will? Mach,
daß du gehst," wiederholte die Frau. Aber das Trini blieb immer
noch stehen. Es dachte, wenn die Bäuerin nur Zeit hätte, die Beereu
anzuschauen, dann würde ihr schon die Lust kommen, sie zu behalten.
Jetzt aber kochte es über in der Bäuerin, und um so höher, als
ihr Zorn schon lange einen Ausweg gesucht hatte.
„Hast du Harz an den Sohlen?" rief sie grimmig, „oder guckst
du nach den reifen Äpfeln aus, daß du weißt, welchen Baum ihr