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nicht; denn wer betrübt sich wohl über den Tod eines Friedens¬ 
störers, vor dem man nie ruhig und sicher sein kann? Sie freuten 
sich vielmehr, daß sie nun bald seiner los sein würden. Einige von 
ihnen, die noch immer das Unrecht schmerzte, welches er ihnen 
ehedem angetan hatte, wollten nun ihren Haß an ihm auslassen. 
Der arglistige Fuchs kränkte ihn mit beißenden Reden; der Wolf 
rief ihm die ärgsten Schimpfworte zu, der Ochs stieß ihn mit 
seinen Hörnern; das wilde Schwein verwundete ihn mit seinen Hauern, 
und selbst der träge Esel gab ihm einen Schlag mit seinem Hufe. 
Das edle Pferd allein stand dabei und tat ihm nichts, obgleich 
der Löwe seine Mutter zerrissen hatte. „Willst du nicht," fragte 
der Esel, „dem Löwen auch eins hinter die Ohren geben?" Das 
Pferd antwortete ernsthaft: „Ich halte es für niederträchtig, mich 
an einem Feinde zu rächen, der mir nicht mehr schaden kann!" 
_ Äsop. 
41. Besser ich als er. 
Es war Krieg im Lande, und der Feind griff zu, wo ihm eben 
etwas anstand, und fragte nicht viel, wem es gehöre, oder ob’s 
der arme Mann auch entbehren könne. Da lag abseits von der 
Heerstraße ein Dörflein, das hatte der Krieg noch verschont, und 
eben plauderte ein Bauer zum Fenster heraus mit einem andern, 
der außen stand, und sprach: „Ja, Nachbar, wenn uns der Himmel 
vor Unglück behütet, so kann ich mir doch wieder heraushelfen aus 
meiner Not; denn ich habe einen schönen Reichtum von Gerste 
auf dem Halme." Indem aber hörten sie ein Getrappel, und es 
schauten ein paar Pferdeköpfe um die Ecke und noch ein paar; 
ein Haufen Husaren ritt herein und der Offizier gerade auf das 
Haus zu und sprach zu dem, der davor stand: „Alter, meine Leute 
brauchen Futter; seid so gut, zeigt uns ein schönes Fruchtfeld, 
wir können uns in dem engen, buschigen Tale nicht zurechtfinden.“ 
Nun ist eine solche Bitte, wenn zwanzig Husarensäbel dazu klirren, 
schwer abzuschlagen. Das wußte der Bauer, darum nahm er seine 
Mütze vom eisgrauen Kopfe und sagte ruhig: „Ich will Euch den 
Weg zeigen, Herr!" und ging voran. Die Reiter zogen nach, und 
der andere im Fenster sah seufzend hinterher. 
Der Führer schritt rüstig voran durch die Büsche, und so kamen 
sie an ein schönes Gerstenfeld. „Gut,“ sagte der Offizier, „Ihr habt 
uns wacker geführt, Alter; steigt ab, Husaren, und haltet Ernte!" — 
„Nein," sagte der Alte, „das Feld ist nicht für Euch, Ihr müßt 
noch eine Strecke weiter reiten, es soll nicht Euer Schade sein!“ 
Da machten zwar die Soldaten schlimme Gesichter, und der Offizier
	        
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