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manche an Größe und Einwohnerzahl vielgenannte Städte in anderen
Landesteilen weitaus übertreffen. Fragen wir nach den Ursachen
dieser Erscheinung, so ist die Antwort leicht zu geben: die ganze
Landschaft birgt in der Tiefe ungeheuere Kohlenschätze. Die Billig¬
keit dieses wichtigen Brennmateriales und die Nähe großartiger
Eisenerzlager an der oberen Sieg begründeten und begünstigten
seit alters her das Aufblühen eines regen und bedeutsamen Eisen¬
gewerbes in diesem Landesteile, das im Laufe der Zeiten stetig
zugenommen und in unseren Tagen fast in der ganzen Welt unerhörte
Bedeutung angenommen hat.
Das Steinkohlengebirge an der Ruhr füllt mehrere flache
Senkungen oder Mulden aus, von denen diejenigen von Essen im
Westen, von Bochum in der Mitte, von Hörde im Osten und von
Recklinghausen im Norden die bedeutendsten sind. Besonders die
Essener Mulde ist die wichtigste, da sie Steinkohlenlager in der
Gesamthöhe von 48 Metern enthält, die sich auf 58 abbauwürdige
Flöze verteilen.
Im ganzen Gebiete sind etwa 250 Bergwerke auf Kohlen¬
förderung in Betrieb, und diese Zechen liefern eine jährliche Ausbeute
von über 400 Millionen Zentnern Steinkohle. Obwohl der Abbau
in dieser Landschaft sich bis ins 14. Jahrhundert nachweisen läßt,
also schon eine lange Ausbeute hinter uns liegt, wird trotzdem,
selbst bei dem großartigen Betrieb der neueren Zeit, der Vorrat
von Kohle voraussichtlich noch für Jahrhunderte ausreichen.
Laßt uns nun ein Steinkohlenbergwerk im Essener Bezirk kennen
lernen. Der Abend ist bereits hereingebrochen. Wir wandern einem
entlegenen Teile der Kruppschen Fabrik zu und lassen ihre feuer¬
strahlenden Kamine und weithin leuchtenden elektrischen Lampen
hinter uns; da taucht — erst in dämmerigen Umrissen, dann immer
deutlicher — vor uns ein gewaltiges, pyramidenförmiges Gerüst
aus dem Dunkel des Abends auf, es ist der hohe Schachtturm einer
Zeche, einer der ältesten von Essen, die ihre Stollen allenthalben
unter dem Boden, auf dem die Stadt steht, ausbreitet.
Das vorhin erwähnte Gerüst erhebt sich über dem runden
Schachteingange, dessen mittlerer, viereckiger und ausgezimmerter
Teil zum Auf- und Ablaufen der Förderkörbe bestimmt ist, während
die übrigbleibenden Kreisabschnitte als Luft- und Notschächte be¬
nutzt werden. Auf der Höhe des Turmes laufen über Rollen die