Object: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte (Teil 1)

7. Deutsches Leben im Mittelalter. 63 
herabgelassen hatte. Es führte in den Zwinger, den Vorhof, der znm 
.Teil als Garten benützt mürbe, auch Stallungen und Speicher enthielt. 
Erst nach Durchschreiten eines, zweiten Tores, das ein Turm mit 
Erker und Pechnase sicherte und ein schweres Fallgitter schloß, gelangte 
man in den Jnnenhof. Diesen umgaben fast allseitig Gebäude. Das 
wichtigste war der Bergfried, ein gewaltiger Turm, in welchem die 
Burginsassen nach Verlust des Zwingers und Jnnenhoses die letzte 
Zuflucht fanden. Die Burgställe, die Wohnsitze minder begüterter Ritter, 
bestanden lediglich aus Zingelmauer und Bergfried. Die Türe des letzteren 
konnte nur vermittelst einer Leiter oder Treppe erreicht werden. Im Erd¬ 
geschoß barg er oft eine Quelle, enthielt wohl auch die Schatzkammer 
und das schaurige Verließ; die übrigen Stockwerke konnten als Küche, 
Vorrats- und Wohnränme dienen. Unter dem Dache hauste der Turm¬ 
wart und spähte von seinem Umgange Tag und Nacht aus, um mit 
Hornruf die Burgmannen zu warnen, wenn ein Feind nahte. Von den 
übrigen Gebäuden einer größeren Burg war am stattlichsten der Palas, 
der eine weite Halle, den Speisesaal, enthielt. Im Frauenhause, wegen 
seiner Heizbarkeit Kemenate genannt, befanden sich die Familienwohnung 
des Burgherrn, die Kammern der Mägde und der Gabem, in bem bas 
weibliche Gesinbe unter ber Leitung ber Ritterfrau und ihrer Töchter 
webte, spann und Gewänder fertigte. Der kirchliche Sinn des Mittel¬ 
alters brachte es mit sich, daß die Kapelle einer größeren Burg selten 
fehlte. Von den weiteren Gebäuden einer solchen sind noch zu nennen: 
die dem Palas angebaute Küche, das Dienerhaus, das Schnitzhaus, in 
welchem Schilde und Speere hergestellt wurden, und das Rüsthaus, der 
Ausbewahrungsort des Wasfenvorrats. 
Stattlich mochte sich eine Herrenburg auf stolzer Höhe wohl aus¬ 
nehmen, behaglich war das Leben in ihren engen Räumen keineswegs, 
am allerwenigsten im Winter, wenn hoher Schnee die Wege sperrte, der 
Wind durch die schlecht verwahrten Fensteröffnungen pfiff, und der 
rauchende Kamin die Kemenate kaum zu erwärmen vermochte. Im 
Sommer entschädigten für diese Unbilden die Schönheit der umgebenden 
Natur, die Jagd und der gesellige Verkehr. 
Waffen. Die Angriffswaffen des Ritters waren das wuchtige, 
zweischneidige Schwert und die langschästige Lanze, an der ein Fähnlein 
flatterte. Alle Sorgfalt wurde den Schutzwaffen zugewandt. Wenn 
der Ritter zum Kampfe zog, fo legte er die Brünne (den Halsberg) 
an. Sie bestand aus einem Geflecht von Eisenringen und war ein 
bis zu den Knieen herabreichendes Eisenhemd mit Ärmeln, Handschuhen 
und einer Kapuze, die von hinten her über den Kopf bis an die Augen 
gezogen werden konnte. Füße und Schenkel wurden durch Eisenhofen 
geschützt. Über die Kapuze stülpte man den Stahlhelm und band ihn
	        
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