Full text: (Für das 8. und 9. Schuljahr) (Teil 4 für Knaben)

Die Baukunst. 
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einheitliche Raumkunst hat es in Deutschland im 15., 16. und 
17. Jahrhundert in erstaunlicher Fülle gegeben, während für eine 
Raumkunst im wirklich großzügigen Sinne nur vereinzelte Bei¬ 
spiele vorhanden sind. 
Machen wir nun unter Berücksichtigung der obigen Bemer¬ 
kungen einen kurzen Rundgang durch das umfangreiche Gebiet der 
Baugeschichte. Bis weit ins graue Altertum, bis in das dritte 
und vierte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, reicht ehe ägyp¬ 
tische und die a 11 b a b y 1 o n i s ch e Kunst. Die Pyramiden der 
Ägypter, die gewaltigen Königsgräber, darf man in ihrer 
massenhaften Anhäufung von Baustoffen nicht als Kunstwerke, 
sondern nur als Bauwerke bezeichnen. Anders verhält es sich 
mit ihren Tempelbauten. Hier offenbart sich zunächst eine hohe 
Formenkunst, die dem harten Steinmaterial voll gerecht wird, 
aber keine Raumkunst und auch keine Grundrißkunst. Hoch¬ 
entwickelt ist besonders der Säulen bau, wenn auch die ein¬ 
zelnen Teile noch plump und schwer erscheinen. In den Baby¬ 
loniern und Assyriern finden wir Völker, die sich in ihren 
Palastanlagen als Meister der Grundrißkunst und teilweise auch 
als Meister der Raumkunst bewiesen haben. Während die Palast¬ 
anlagen der Perser nichts von einer Raum- und Grundrißkunst 
bekunden, da sie nur als Prachtanlagen für feierliche Empfänge 
gelten können, haben jene großartige Wohnanlagen geschaffen. 
Auch bei den Persern ist der Säulenbau verwandt worden. 
Sehr Bedeutendes haben unter den alten Kulturvölkern auch 
die Griechen auf dem Gebiete der Baukunst geleistet. Sie 
haben in ihren Säulen Gebilde geschaffen, die wegen der Fein¬ 
heit und Spannkraft der Linienführung und der Schönheit der 
einzelnen Gliederungen noch heute mit Recht bewundert werden. 
Die griechischen Säulen wirken fast wie belebte Wesen. An und 
mit dem Tempelbau, dem idealen Haus der Gottheit, entwickeln 
sich auch die drei Säulenordnungen, die dorische, jonische und 
korinthische, zur höchsten Vollendung. Von einer Grundrißkunst 
kann man bei den vielfach mehr als einfachen Anlagen der grie¬ 
chischen Baukunst nicht sprechen, und von einer Raumkunst auch 
nur in bedingter Weise. So mißt das Mittelschiff eines der größten 
dorischen Bauwerke, des Parthenontempels auf der Akropolis 
in Athen, zwischen den Säulen der Breite nach 9,82 m und der 
Länge nach 25,43 m. Die meisten andern Tempelbauten bleiben 
in ihren Breitenmessungen unter diesem Maße. Die Römer über-
	        
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