Full text: (Viertes und fünftes Schuljahr) (Teil 2 für Kl. 6 u. 5)

Während der Kalif also sprach, sah er den andern Storchen über 
ihrem Haupte schweben und langsam sich zur Erde lassen. Schnell zog 
er die Dose aus dem Gürtel, nahm eine gute Prise, bot sie dem Gro߬ 
wesir dar, der gleichfalls schnupfte, und beide riefen: „Mutabor!“ 
Da schrumpften ihre Beine ein und wurden dünn und rot, die 
schönen gelben Pantoffel des Kalifen und seines Begleiters wurden 
unförmliche Storchfüße, die Arme wurden zu Flügeln, der Hals fuhr 
aus den Achseln und ward eine Elle lang, der Bart war verschwunden, 
und den Körper bedeckten weiche Federn. 
„Ihr habt einen hübschen Schnabel, Herr Großwesir," sprach nach 
langem Erstaunen der Kalis. „Beim Bart des Propheten, so etwas 
habe ich in meinem Leben nicht gesehen." 
„Danke untertänigst," erwiderte der Großwesir, indem er sich bückte; 
„aber wenn ich es wagen darf, möchte ich behaupten, Eure Hoheit 
sehen als Storch beinahe noch hübscher aus, denn als Kalif. Aber 
kommt, wenn es Euch gefällig ist, daß wir unsere Kameraden dort be¬ 
lauschen und erfahren, ob wir wirklich Storchisch können." 
Indem war der andere Storch auf der Erde angekommen. Er 
putzte sich mit dem Schnabel seine Füße, legte seine Federn zurecht 
und ging auf den ersten Storchen zu. Die beiden neuen Störche aber 
beeilten sich, in ihre Nähe zu kommen, und vernahmen zu ihrem Er¬ 
staunen folgendes Gespräch: 
„Guten Morgen, Frau Langbein, so früh schon auf der Wiese?" 
„Schönen Dank, lieber Klapperschnabel! Ich habe mir ein kleines 
Frühstück geholt. Ist Euch vielleicht ein Viertelchen Eidechs gefällig 
oder ein Froschschenkelein?" 
„Danke gehorsamst; habe heute gar keinen Appetit. Ich komme 
auch wegen etwas ganz anderem auf die Wiese. Ich soll heute vor den 
Gästen meines Vaters tanzen, und da will ich mich im stillen ein wenig 
üben." 
Zugleich schritt die junge Störchin in wunderlichen Bewegungen 
durch das Feld. Der Kalif und Mansor sahen ihr verwundert nach. 
Als sie aber in malerischer Stellung auf einem Fuß stand und mit 
den Flügeln anmutig dazu wedelte, da konnten sich die beiden nicht 
mehr halten; ein unaufhaltsames Gelächter brach aus ihren Schnä¬ 
beln hervor, von dem sie sich erst nach langer Zeit erholten. Der 
Kalif faßte sich zuerst wieder: „Das war einmal ein Spaß," rief er, 
„der nicht mit Gold zu bezahlen ist. Schade! daß die dummen Tiere
	        
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