Full text: (Sechstes und siebentes Schuljahr) (Teil 3 für Kl. 4 u. 3)

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5. Und es leuchten Wald nndHeide, 
Daß man sicher Glauben mag, 
Hinter allem Winterleide 
Lieg' ein ferner Frühlingstag. 
119. Der Wald im Vorherbst. 
Franz Alfred Muth. 
Was geht über die Pracht eines Waldganges im Vorherbst? 
Es ist, als wolle jeder Tannenbaum und jede Waldblüte noch einmal 
so recht den vollen Duft verhauchen, ehe die Blüte welkt und 
Schneelasten die Tannenäste niederdrücken. Wohl sind schon viele 
Sänger weg; doch regt sich auch noch mancher Vogel im Laube 
und schmettert vom hohen Eichenwipfel herab, daß man jubelnd 
Antwort gibt. Gewiß haben die Wälder in der Nähe von Badeorten 
wie bei Wiesbaden, Ems, Baden-Baden ihr Schönes; man braucht 
durch kein Dickicht zu brechen, kein Brombeerstrauch zerrt dich 
am Kleide, und kein Waldbach hemmt mit ungestümem Gepolter 
über Kiesel und andres Gestein den Schritt; aber den rechten Natur¬ 
jünger befriedigt doch nur der naturwüchsige Wald. Wie wirft da 
die Sonne mit wahrer Verschwendung ihr Gold ins dichte Gewipfel, 
daß es wie in Glut getaucht tausendstimmigen Gruß rauscht und 
das Moos fast neidisch wird, weil nur hier und dort Funken sich 
zu ihm Bahn brechen. Wie ein Blumengarten Gottes kommt von 
Zeit zu Zeit ein Waldgrund, wo die rosige, vielglockige Erika und 
die blaue Kampanula ihre Glöckchen schwingen, die Amsel aus 
dichtem Unterwald voll Buchengrün und Tannengeruch glockenhell 
schlägt. Jeder klargrüne Bach ist so traulich von Erlen und Weiden 
umsäumt, er blitzt bald so lustig aus dem Gebüsch heraus, um 
dann wieder mit dunkeln Augen ganz geheimnisvoll dreinzuschauen, 
daß man mit ihm des Wanderns nicht müde wird. Wohl rieseln die 
Birken schon einzelne goldgelbe Blätter in ernster Mahnung an die 
Tage der Wintereinsamkeit nieder; doch was will das gegen die 
unendliche Pracht, die über Tal und Höhen sich noch in dunkler 
Laubwaldung ausbreitet! Die Ameise hastet hin und her und sammelt, 
was sie vermag; noch summt die Biene um Blumenkelche, noch 
wiegen sich buntfarbene Schmetterlinge in der blauen Luft, die 
mit dem Nahen des Abends immer dunkelblauer über Nähe und
	        
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